Extremhunger in der Recovery: Warum er normal ist und wie Du damit umgehst

Kategorie: Essstörung

Veröffentlicht: 10.12.2021

Artikel Von: Janina Eilts

Was ist Extremhunger (Reactive Hyperphagia) genau?

Die größte Angst: Ist das Extremhunger oder Binge Eating?

Der Unterschied zwischen Extremhunger & Binge-Eating

Extremhunger: Dein Körper heilt

Binge Eating: Eine eigenständige Essstörung

Warum Du Dir keine Sorgen machen musst

Die wissenschaftlichen Ursachen: Warum Dein Körper das tut

Der Beweis: Was uns die Minnesota Starvation Study lehrt

Was passierte in der Minnesota Starvation Study?

Was passierte mit diesen gesunden Männern während des Hungers?

Die entscheidende Frage: Was passierte in der Recovery?

Was bedeutet die Minnesota Starvation Study für Dich?

Dein Körper im Überlebensmodus: Die Rolle der Hormone

Wenn Ghrelin und Leptin verrücktspielen

Seelischer Hunger: Wenn die Seele nach Füllung giert

Diese Ängste kennen so viele: Was andere Betroffene fühlen

„Wird es nie stoppen?“

„Ich bin unglaublich schwach“

„Ich verliere die Kontrolle über mich“

„Was sollen nur die anderen von mir denken?“

Wie Du sicher mit Extremhunger umgehst

Radikale Akzeptanz: Warum Zulassen der einzige Weg ist

Die Angst vor der Zunahme im Extremhunger

Dein Hunger und Sättigungsgefühl neu entdecken

Mentale und körperliche Heilung: Gib Dir die Zeit, die Du brauchst

Was ist mit Bewegung?

Hole Dir professionelle Unterstützung

Wenn Zweifel aufkommen: So gehst Du mental damit um

Die Versuchung, den Extremhunger zu unterdrücken

Loslassen und ins Handeln kommen

Wie ich gelernt habe, dem Prozess zu vertrauen

Dein Körper ist Dein Freund, er heilt gerade

Was ich damals gebraucht hätte

FAQ – Häufig gestellte Fragen zum Thema Extremhunger

Zuletzt aktualisiert am: 12.11.2025

Erstmals veröffentlicht: 10.12.2021

Fühlst Du Dich gefangen in einem Körper, der plötzlich nicht mehr aufhören kann zu essen? Du hast Dich monatelang so stark kontrolliert, und jetzt ist da dieser unbändige Hunger, der einfach nicht aufhört. Selbst nach einer großen Mahlzeit fühlst Du Dich nicht satt. Es ist, als hättest Du ein bodenloses Loch im Bauch.

Ich kann mich noch genau an den Zwiespalt erinnern, den ich in dieser Phase hatte. Auf der einen Seite dachte ich: „Letzte Woche war ich noch so diszipliniert, und diese Woche soll das alles vorbei sein?“ Auf der anderen Seite hatte ich so einen unbändigen Hunger, dem ich mich einfach nicht widersetzen konnte. Es tat mir förmlich weh, nichts zu essen.

Ich habe über 12 Jahre lang mit Magersucht und Bulimie gekämpft. Heute begleite ich als Essstörungs-Coach Frauen durch genau diese Phase. Daher kann ich Dir sagen, dass Du nicht allein bist. Was Du erlebst, heißt Extremhunger, und es ist keine Schwäche. Es ist keine neue Essstörung. Es ist Dein Körper, der heilen möchte.

In diesem Artikel zeige ich Dir, warum Dein Körper das tut und wie Du diese Phase gut durchstehst. Du wirst verstehen, dass Extremhunger ein normaler Teil Deines Heilungsweges ist.

Das Wichtigste in 60 Sekunden:
  • Es ist normal: Extremhunger ist eine biologische, vorübergehende Reaktion auf Nahrungsmangel. Dein Körper heilt gerade, auch wenn es sich nicht so anfühlt.
  • Es ist kein Binge Eating: Der Unterschied liegt im Kontext. Nach Restriktion ist extremes Essen eine Heilungsreaktion, keine neue Störung.
  • Du brauchst Geduld: Es kann Wochen bis Monate dauern. Gib Deinem Körper die Zeit, die er braucht, auch wenn Dein Kopf ungeduldiger ist.
  • Widerstand verlängert es: Je mehr Du dagegen kämpfst, desto länger dauert diese Phase.
  • Du bist nicht allein: Fast jede Betroffene kennt diese Phase. Hol Dir Hilfe, wenn die Angst übermächtig wird.

Stell Dir vor, Du bist stundenlang in der Hitze gewandert, ohne was zu trinken. Wenn Du dann endlich Wasser siehst, trinkst Du wie ein Loch, viel mehr als „normal“. Niemand würde sagen, Du bist wassersüchtig. Extremhunger ist dieser Durst. Nur mit Essen.

Springe direkt zu meinen 5 Tipps gegen Extremhunger →

Möchtest Du das Thema lieber hören? Hier ist meine ausführliche Podcast-Folge zum Extremhunger.

Was ist Extremhunger (Reactive Hyperphagia) genau?

Extremhunger geht weit über normalen Hunger hinaus. Du isst. Und isst. Und isst.

Trotzdem bleibt der Hunger. Es fühlt sich an, als wäre ein bodenloses Loch in Deinem Bauch. Als würde das Essen einfach verschwinden.

In der Wissenschaft heißt das „Reactive Hyperphagia“ eine reaktive Überernährung als Antwort auf Mangel. Doch wir bleiben einfach bei Extremhunger.

Es kann auch sein, dass Du gar keine Sättigung mehr spüren kannst. Dies ist oftmals eine große Herausforderung, und es ist schwer, seine Mahlzeiten überhaupt zu beenden. Du isst und isst, und trotzdem kommt kein Signal: „Stopp, ich bin voll.“

Das ist besonders verwirrend, wenn Du Dich körperlich voll fühlst. Dann ist Dein Bauch gespannt, vielleicht sogar schon so, dass es unangenehm ist. Doch Dein Kopf schreit weiter: „Ich brauche mehr!“

Hier kommt der wichtigste Punkt: Das ist keine Frage von Disziplin. Es ist eine normale Phase in der Recovery. Durch diese Phase gehen viele während oder nach einer Essstörung.

Dein Körper reagiert auf einen Mangel. Er tut genau das, was er tun soll: Er versucht zu überleben und zu heilen. Das hat nichts mit Willensstärke, Selbstkontrolle oder Charakterschwäche zu tun. Es ist Biologie.

Die größte Angst: Ist das Extremhunger oder Binge Eating?

Eine der größten Ängste, die ich in meiner Arbeit als Coach immer wieder höre, ist diese: „Habe ich jetzt eine Binge-Eating-Störung entwickelt?“ Diese Angst ist absolut verständlich. Du hast monatelang so viel Kontrolle ausgeübt, und jetzt fühlst Du Dich komplett außer Kontrolle.

Lass mich Dir die Angst nehmen.

Der Unterschied zwischen Extremhunger & Binge-Eating

Der entscheidende Unterschied liegt im Kontext und in der Ursache.

Extremhunger = eine biologische Reaktion auf Mangel

  • Dein Körper war in einem Zustand der Unterversorgung
  • Er holt sich jetzt, was er braucht
  • Es ist eine vorübergehende Heilungsreaktion
  • Es ist die Antwort auf Restriktion

Binge-Eating-Störung = eine eigenständige psychische Erkrankung

  • Essanfälle treten regelmäßig auf (mindestens 1 × pro Woche über 3 Monate)
  • Sie sind NICHT die Folge von vorheriger Restriktion
  • Sie dienen oft der emotionalen Regulation
  • Es besteht kein körperlicher Mangel als Hauptursache

Quelle: DSM-5 Diagnostic Criteria (NCBI)

Extremhunger: Dein Körper heilt

Extremer Hunger ist ein Heilungssignal. Dein Körper signalisiert seinen dringenden Bedarf an Bausteinen für die Reparatur von Organen, die Wiederherstellung hormoneller Funktionen und die Auffüllung der Energiespeicher.

Stell es Dir so vor: Dein Körper ist wie ein Haus, das monatelang vernachlässigt wurde. Jetzt kommen endlich die Handwerker (die Nährstoffe). Natürlich haben sie eine riesige To-do-Liste: Dach reparieren, Fenster abdichten, Heizung erneuern. Dafür brauchen sie viel Material. Das ist nicht verschwenderisch, sondern notwendig.

Binge Eating: Eine eigenständige Essstörung

Es gibt einen klaren Unterschied vom Extremhunger zu Binge Eating. Bei einer Binge-Eating-Störung gibt es diesen vorherigen Mangel nicht unbedingt. Die Essanfälle dienen oft dazu, mit Emotionen umzugehen. Zum Beispiel Stress, Traurigkeit, Langeweile, Einsamkeit. Sie treten regelmäßig über Monate auf und sind von starkem Leidensdruck begleitet.

Warum Du Dir keine Sorgen machen musst

Wenn Du aus einer Phase der Restriktion kommst. Also Magersucht, restriktive Bulimie, oder extremes Diäthalten, dann ist das, was Du erlebst, mit höchster Wahrscheinlichkeit Extremhunger als Heilungsreaktion.

Das bedeutet nicht, dass es nicht beängstigend ist. Das bedeutet nicht, dass es sich nicht wie Kontrollverlust anfühlt. Aber es bedeutet, dass Du nicht „von einer Essstörung in die nächste rutschst“. Du bist mitten im Heilungsprozess.

Die wissenschaftlichen Ursachen: Warum Dein Körper das tut

Jetzt wird es wissenschaftlich. Aber mach Dir keine Sorgen, ich erkläre es so, dass Du es verstehst. Denn wenn Du verstehst, warum Dein Körper das tut, wird es leichter, ihm zu vertrauen.

Der Beweis: Was uns die Minnesota Starvation Study lehrt

Eine der wichtigsten Studien, die jemals über Hunger durchgeführt wurden, ist das Minnesota Starvation Experiment von 1944 bis 1945 unter der Leitung von Ancel Keys.

Was passierte in der Minnesota Starvation Study?

36 gesunde, psychisch völlig stabile junge Männer nahmen freiwillig teil. Sie hatten vorher keine Essstörung, keine psychischen Probleme, nichts. Sie waren „normal“.

Die Studie lief in vier Phasen:

  • Kontrollperiode (12 Wochen): Die Männer aßen normal, also etwa 3200 Kalorien pro Tag.
  • Hungerphase (24 Wochen): Ihre Kalorienzufuhr wurde auf durchschnittlich 1570 Kalorien pro Tag reduziert. Zusätzlich mussten sie wöchentlich etwa 35 km gehen. Ziel war ein Gewichtsverlust von 25 % des Ausgangsgewichts.
  • Kontrollierte Rehabilitation (12 Wochen): Die Männer bekamen langsam mehr Kalorien.
  • Freie Rehabilitation: Sie durften essen, so viel sie wollten.

Was passierte mit diesen gesunden Männern während des Hungers?

Die Ergebnisse waren erschreckend und gleichzeitig unglaublich aufschlussreich:

Körperliche Symptome:

  • Verlangsamter Stoffwechsel
  • Extreme Müdigkeit
  • Kälteintoleranz
  • Haarausfall
  • Trockene Haut
  • Ödeme (Wassereinlagerungen)

Gedankliche Symptome:

  • Obsessive Beschäftigung mit Essen: Sie sprachen nur noch über Nahrung, sammelten Kochbücher, träumten von Essen
  • Konzentrationsschwäche
  • Beeinträchtigte Urteilsfähigkeit

Emotionale Symptome:

  • Depressionen
  • Angst
  • Reizbarkeit
  • Sozialer Rückzug

Verhalten:

  • Essensrituale (extrem langsames Essen, Mischen von Speisen)
  • Hortungsverhalten
  • Drastisch erhöhter Kaffee- und Kaugummi-Konsum

Die entscheidende Frage: Was passierte in der Recovery?

Als die Männer wieder essen durften, erlebten sie:

  • extremen Hunger, der nicht aufhörte, selbst nach großen Mahlzeiten
  • Essanfälle, obwohl sie dieses Verhalten vorher nie gezeigt hatten
  • Um ihr Gewicht wiederherzustellen, brauchten sie deutlich mehr Nahrung als vor dem Experiment
  • Die vollständige Normalisierung dauerte zwischen 2 Monaten und 2 Jahren.

Was bedeutet die Minnesota Starvation Study für Dich?

Diese Studie zeigt, dass alles, was Du erlebst, eine normale menschliche Reaktion auf Hunger ist. Das ist keine Schwäche. Es ist keine psychische Störung, die Du „zusätzlich“ entwickelt hast. Es ist das, was mit jedem Menschen passiert, der über längere Zeit zu wenig isst.

Die Symptome, die heute als „typisch für Essstörungen“ gelten, also die obsessiven Gedanken, die Essensrituale, der Kontrollverlust beim Essen. Das sind in Wahrheit universelle Reaktionen auf Hunger. Sie verschwinden, wenn der Körper wieder ausreichend versorgt wird.

Das ist zutiefst entstigmatisierend. Du bist nicht „verrückt“. Dein Körper funktioniert genau richtig.

Dein Körper im Überlebensmodus: Die Rolle der Hormone

Um zu verstehen, warum der Extremhunger so überwältigend ist, müssen wir über zwei wichtige Hormone sprechen: Ghrelin und Leptin.

Ghrelin – Das „Hungerhormon“

Ghrelin wird hauptsächlich im Magen produziert. Wenn Dein Magen leer ist, steigt der Ghrelinspiegel und sendet ein Signal an Dein Gehirn: „Iss jetzt!“

Leptin – Das „Sättigungshormon“

Leptin wird von Deinen Fettzellen produziert. Wenn Du ausreichend Energie und Fettreserven hast, steigt der Leptinspiegel und sagt Deinem Gehirn: „Stopp, wir haben genug.“

Wenn Ghrelin und Leptin verrücktspielen

Durch restriktives Essen wird dieses System massiv gestört. Das bedeutet Deine Hormone sind nicht richtig reguliert in der Essstörung.

Was passiert während der Restriktion:

  • Dein Körper schaltet in den Überlebensmodus
  • Ghrelin steigt drastisch an → Du bekommst starke Hungersignale
  • Leptin sinkt (weil Du Fett verlierst) → Das „Stopp-Signal“ verschwindet

Was passiert in der frühen Recovery:

  • Ghrelin bleibt erstmal hoch → Starke Hungersignale halten an
  • Leptin normalisiert sich nur langsam → Das „Stopp-Signal“ ist noch schwach

Das Ergebnis? Ein hormoneller Sturm. Das „Go-Signal“ (Ghrelin) ist extrem stark, während das „Stopp-Signal“ (Leptin) noch fehlt oder schwach ist.

Warum das wichtig ist:

Das bedeutet, dass Dein extremer Hunger nicht „in Deinem Kopf“ ist. Es ist nicht mangelnde Disziplin. Es ist ein biologischer Imperativ. Dein Körper tut genau das, was er tun muss, um zu überleben. Er ist nicht kaputt. Er ist hochintelligent.

Dein Körper arbeitet für Dich, nicht gegen Dich.

Seelischer Hunger: Wenn die Seele nach Füllung giert

Neben dem körperlichen Hunger gibt es noch eine andere Dimension. Diesen bezeichnet man häufig als seelischen oder emotionalen Hunger.

Eine Essstörung hat natürlich nicht nur mit dem Essen zu tun, sondern betrifft auch Deine Seele. Du hast vielleicht kein Selbstwertgefühl, kein Selbstvertrauen und fühlst Dich aufgrund der ganzen Situation einfach schlecht. Du lebst Dein Leben nicht so, wie Du es Dir von Herzen wünschst, und darunter leidet auch Deine Seele.

Deine Seele braucht Liebe und Fürsorge. Ansonsten verhungert sie.

Und dieses „Verhungern der Seele“ kann sich auch auf Dein Hungergefühl auswirken. Dann versuchst Du mit dem Essen, Deine Seele zu füttern. Deine Seele braucht kein Essen, sondern Selbstliebe. Oder Selbstakzeptanz.

Das heißt für Dich, dass Dein extremer Hunger auch gestillt wird, wenn Du Deine emotionalen Themen auflöst.

Körperlicher Hunger vs. emotionaler Hunger:

Die folgenden Unterschiede kenne ich aus meiner eigenen Erfahrung nur zu gut. Zudem werden sie auch von Gesundheitsorganisationen bestätigt.

Körperlicher Hunger:

  • Entwickelt sich allmählich
  • Kann aufgeschoben werden
  • Ist mit verschiedenen Lebensmitteln zufrieden
  • Führt normalerweise nicht zu Schuldgefühlen

Emotionaler Hunger

  • Kommt plötzlich und dringend
  • Fühlt sich wie ein Notfall an
  • Verlangt nach spezifischen Lebensmitteln
  • Wird oft von Schuld oder Scham gefolgt

Wichtig in der Recovery:

In der Recovery existieren oft beide Hungerarten gleichzeitig. Also zum einen schreit Dein Körper nach Energie (extremer Hunger). Zusätzlich schreit Deine Seele nach emotionalem Trost (emotionaler Hunger).

Diese beiden Arten von Hunger schließen sich nicht gegenseitig aus. Das Ziel ist nicht, den emotionalen Hunger mit Scham zu unterdrücken, sondern:

  • Ihn zu identifizieren
  • Die zugrunde liegende Emotion anzuerkennen
  • Den körperlichen Hunger bedingungslos zu akzeptieren
  • Gesündere Bewältigungsstrategien für Emotionen zu entwickeln

Diese Ängste kennen so viele: Was andere Betroffene fühlen

In meiner Arbeit als Coach höre ich immer wieder dieselben Ängste. Zudem habe ich auch mal eine Umfrage bei Instagram gemacht. Ich möchte sie hier mit Dir teilen, damit Du weißt: Du bist nicht allein.

„Wird es nie stoppen?“

Das ist die Angst Nummer eins. Du isst und isst, und der Hunger hört nicht auf. Du fragst Dich: „Werde ich für immer so weitermachen? Werde ich nie wieder normal essen können?“

Die Wahrheit ist: Es wird aufhören. Es ist eine Übergangsphase. Dein Körper braucht jetzt viel, weil er eine riesige Energieschuld ausgleichen muss. Sobald diese Schuld beglichen ist, wird der Extremhunger weniger.

Wie lange das dauert, ist individuell. Bei manchen sind es Wochen, bei anderen Monate, manchmal auch länger. Aber es ist vorübergehend.

„Ich bin unglaublich schwach“

Du verurteilst Dich selbst. Du denkst: „Letzte Woche war ich noch so diszipliniert. Warum bin ich jetzt so schwach? Warum habe ich diese Stärke nicht mehr?“

Die Wahrheit ist: Du bist nicht schwach. Im Gegenteil. Es braucht unglaubliche Stärke, dem Extremhunger standzuhalten und nicht wieder in die Restriktion zu flüchten. Du gibst Deinem Körper, was er braucht. Das ist nicht Schwäche, sondern das ist Mut.

Disziplin bedeutet nicht, Deinen Körper zu bekämpfen. Wahre Disziplin bedeutet, das Richtige zu tun, auch wenn es schwer ist. Und das Richtige ist jetzt: Essen.

„Ich verliere die Kontrolle über mich“

Das Gefühl des Kontrollverlusts ist erschreckend, besonders wenn Du monatelang so viel Kontrolle ausgeübt hast.

Die Wahrheit ist: Du verlierst nicht die Kontrolle. Dein Körper übernimmt die Kontrolle und das ist gut so. Dein Kopf hat Dich in diese Situation gebracht. Dein Körper versucht, Dich da herauszuholen.

Die Kontrolle, die Du hattest, war eine Illusion. Sie hat Dich krank gemacht. Jetzt lernst Du, Deinem Körper zu vertrauen. Das fühlt sich wie Kontrollverlust an, ist aber in Wahrheit Heilung.

„Was sollen nur die anderen von mir denken?“

Du isst so viel mehr als andere. Vielleicht isst Du heimlich. Vielleicht vermeidest Du soziale Situationen, weil Du Angst hast, dass andere Dich verurteilen.

Die Wahrheit ist: Menschen, die Dich lieben und Deine Situation verstehen, werden Dich nicht verurteilen. Und Menschen, die Dich verurteilen, verstehen nicht, was Du durchmachst.

Dein Fokus muss jetzt bei Dir sein, nicht bei den Meinungen anderer. Du heilst. Das ist wichtiger als alles andere.

Wie Du sicher mit Extremhunger umgehst

Jetzt kommen wir zum praktischen Teil. Was kannst Du tun? Wie gehst Du mit dieser Phase um?

Bevor Du weiterliest: Das hier ist keine To-do-Liste. Es ist ein Werkzeugkasten. Nimm Dir, was sich für Dich machbar anfühlt. Starte mit nur einer Sache. Nicht mit allen auf einmal.

Radikale Akzeptanz: Warum Zulassen der einzige Weg ist

Tipp 1: Extremhunger zulassen

Du hast keine Wahl und kannst ihn nicht für immer verdrängen. Es ist der natürliche Weg. Je länger Du Dich dagegen wehrst, desto länger wird dieser Hunger andauern.

Dein Körper benötigt das Essen. Es ist nötig, so viel zu essen, um wieder gesund zu werden und den Stoffwechsel zu normalisieren. Dein Körper holt sich in dieser Phase genau das, was er braucht und so lange nicht bekommen hat.

Es gibt keinen Richtwert, wie lange der Extremhunger dauert. Dies ist bei jedem individuell. Es kann Wochen bis Monate dauern. Allerdings ist es keine Seltenheit, dass er bis zu einem Jahr andauern kann. Auch wenn er über ein Jahr andauert, ist dies nicht ungewöhnlich. Dein Körper holt sich, was er braucht.

Warum Widerstand die Phase verlängert:

Stell Dir vor, Dein Körper hat eine Liste mit 1000 Reparaturaufträgen. Jedes Mal, wenn Du isst, arbeitet er ein paar davon ab. Wenn Du jetzt immer wieder aufhörst oder restriktiv wirst, pausiert die Reparatur. Die Liste wird nicht kürzer. Im Gegenteil – durch die erneute Restriktion kommen neue Aufträge hinzu.

Umso eher Du Deinem Körper gibst, was er benötigt, desto schneller wird der Extremhunger aufhören.

Konkrete Handlungsschritte, die Dir beim Zulassen helfen können

  • Nicht mehr wiegen. (Waage abgeben an Vertrauensperson oder entsorgen)
  • Kaufe Dir 2–3 Übergangsoutfits in größeren Größen
  • Verstecke/verpacke enge Kleidung
  • Hänge Tücher über Ganzkörperspiegel
  • Vermeide Umkleidekabinen
  • Lösche Kalorienzähl-Apps
  • Unfollow Fitness-Influencer

Jeder Trigger kostet dich mentale Energie, die Du für Deine Heilung brauchst…

Die Angst vor der Zunahme im Extremhunger (und warum sie unbegründet ist)

Tipp 2: Akzeptiere die Zunahme und lasse sie zu

Dies ist besonders wichtig, wenn Du vorher in der Magersucht warst. Denn dann wirst Du sehr wahrscheinlich zunehmen, was Dir vielleicht noch schwerfallen wird.

Ich möchte Dir noch einmal mitgeben, dass Du keine Angst davor zu haben brauchst. Oftmals denken wir, dass wenn wir so viel essen, dass wir dann bestimmt über 100 kg zunehmen werden. Dies ist jedoch absoluter Nonsens.

Sobald Dein Körper das für Dich optimale Gewicht erreicht hat, wird auch der Extremhunger weniger werden. Diesen Zeitpunkt kann Dir niemand genau vorhersagen. Dein Körper entscheidet selbst, wie viel er braucht. Das ist dann Dein Set-Point.

Was passiert wirklich:

Dein Körper hat einen „Set Point“. Also ein Gewicht, bei dem er am besten funktioniert. Dieses Gewicht ist individuell und genetisch beeinflusst. Dein Körper wird nicht ins Unermessliche zunehmen. Er wird zu seinem natürlichen Gewicht zurückkehren.

Ja, das kann bedeuten, dass Du zunimmst, wenn Du im Untergewicht bist. Aber es bedeutet auch, dass Dein Körper irgendwann sagt: „Okay, ich habe, was ich brauche. Jetzt bin ich zufrieden.“

Hier ist es sehr wichtig, dass Du keine Gegenmaßnahmen ergreifst:

  • Kein Sport, um die Kalorien zu „verbrennen“
  • Keine Restriktion am nächsten Tag
  • Keine Kompensation

Sonst wird diese Phase länger andauern. Sag Dir immer wieder, dass Du es verdient hast zuzunehmen. Du verdienst es, gesund zu sein.

Ich bin mit der Zunahme durch den Extremhunger damals erst nicht klar gekommen. Ich habe Gegenmaßnahmen in der Bulimie ergriffen und nicht an den Ursachen gearbeitet. Dazu erzähle ich Dir weiter unten im Artikel noch mehr.

Konkrete Schritte:

  • Erkläre Deiner Familie/WG: „Ich esse gerade viel, weil mein Körper heilt. Bitte keine Kommentare.“
  • Verlasse den Raum, wenn jemand über Diäten spricht.
  • Unfollow Social-Media-Accounts, die Dich triggern
  • Schreibe Dir auf einen Zettel: „Mein Hunger ist Heilung, keine Schwäche“. Klebe ihn an einen Ort, wo Du ihn oft siehst.

Dein Hunger und Sättigungsgefühl neu entdecken

Tipp 3: Lerne Dein Sättigungsgefühl wieder kennen

Der häufigste Satz, den ich im Zusammenhang mit Extremhunger höre, lautet: „Ich spüre mein Sättigungsgefühl einfach nicht mehr!“

Hier kann ich Dir aus meiner eigenen Erfahrung sagen, dass man sich in dieser Phase viel mit dem Hunger- und Sättigungsgefühl beschäftigt. Das heißt auch, dass man oft zweifelt.

Durch die Essstörung ist die Kommunikation mit dem Körper gestört worden. Das heißt, Du kennst Deinen Körper gar nicht mehr richtig. Zusätzlich ist oft die Erwartungshaltung so groß, dass man direkt alles können muss. Dies ist allerdings unmöglich.

Oder konntest Du als Kind beim ersten Versuch laufen oder Fahrrad fahren?

Du hast eine lange Zeit gegen Deinen Körper angearbeitet und alle Signale ausgeblendet. Das heißt, Du musst nun wieder ganz von vorne lernen, was Dein Körper Dir sagen möchte und was er braucht. Somit ist es in der Anfangszeit völlig normal, dass Du Dein Sättigungsgefühl nicht mehr spürst.

Was hilft:

  • Geduld: Es ist ein Lernprozess. Mach Dich nicht verrückt, wenn es nicht sofort funktioniert.
  • Beobachtung ohne Bewertung: Versuche zu spüren, was in Deinem Körper passiert, ohne es zu beurteilen.
  • Kein Zwang: Du musst nicht bei jeder Mahlzeit perfekt auf Dein Sättigungsgefühl hören. In dieser Phase ist es wichtiger, ausreichend zu essen.

Das Sättigungsgefühl wird zurückkommen. Versprochen. Aber es braucht Zeit.

Zur Orientierung 3 Phasen des Sättigungsgefühls:

Phase 1
Kein Sättigungsgefühl Normal!
Dein Körper repariert gerade die Rezeptoren

Phase 2
Sättigung kommt und geht, manchmal spürst Du sie, manchmal nicht
Vertraue den Signalen, wenn sie da sind.

Phase 3
Sättigung wird verlässlich
Du merkst: „Ah, jetzt bin ich wirklich satt“
Dann kannst Du aufhören – nicht früher!

Wichtig: Diese Phasen haben keine festen Zeiten und sind bei jedem individuell

Mentale und körperliche Heilung: Gib Dir die Zeit, die Du brauchst

Tipp 4: Nimm Dir die Zeit, die Du benötigst

Der vorletzte Tipp und einer der wichtigsten.

Dein Körper benötigt Zeit sich zu erholen. Wie viel Zeit? Das ist bei jedem unterschiedlich. Das Wichtigste ist, dass Du Dich nicht mit anderen vergleichst.

Gib Deinem Körper die Zeit, die er braucht und nicht die Zeit, die Du ihm geben willst.

Du solltest in dieser Phase Sachen unternehmen, die Dir Freude bereiten. Achte zudem darauf, dass Du Dich selbst gut behandelst und nicht gegen Dich selbst kämpfst. Zudem solltest Du Dich daran erinnern, dass Dein Körper Dein Freund und nicht Dein Feind ist.

Sehr wichtig zu wissen ist, dass Heilung nicht linear verläuft. Es wird Tage geben, an denen es besser ist, und Tage, an denen es schwerer ist. Das ist normal. Das bedeutet nicht, dass Du zurückfällst. Es ist Teil des Prozesses.

Mach Dir auch immer wieder Folgendes bewusst: Was ist schon ein Jahr? Wenn Du Dich ein Jahr „quälst“ (wobei es keine Qual sein muss!), im Gegensatz zu dem, wenn Du Dich Dein ganzes Leben lang quälst? Das steht überhaupt in keinem Verhältnis.

Und es wird auch nicht ein Jahr komplett so sein, wie es sich jetzt am Anfang anfühlt. Es wird von Mal zu Mal besser.

Was ist mit Bewegung?

Tipp 5: Reduziere Dein Sport

Ich weiß, das ist hart zu hören, besonders wenn Sport Deine Leidenschaft ist. Aber: Bewegung unterdrückt Hungersignale und verlängert die Extremhunger-Phase.

Konkret:

  • Pause von intensivem Sport
  • Erlaubt: sanfte Spaziergänge (max. 30 Min., nur wenn es Freude macht)
  • Nicht empfohlen: Joggen, Fitnessstudio, Yoga „zum Kalorienverbrennen“
  • Frage Dich vor jeder Bewegung: „Will ich das aus Freude oder aus Angst vor Gewichtszunahme?“

Hole Dir professionelle Unterstützung

Tipp 6: Du musst da nicht alleine durch

Dieser Weg ist schwer. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Und es ist okay, sich Hilfe zu holen. Du solltest Dir auf jeden Fall Hilfe holen, wenn die Angst übermächtig wird. Das gilt auch, wenn Du nicht weißt, wie Du weitermachen sollst, Du merkst, dass Du alleine nicht zurechtkommst, oder Du das Gefühl hast, in alte Muster zurückzufallen.

Dieser Artikel ersetzt keine Therapie, kein Coaching und keine Selbsthilfegruppe vor Ort. Bei Essstörungen ist professionelle Hilfe erforderlich. Hol Dir Hilfe. Es ist kein Zeichen von Schwäche. Es ist ein Zeichen von Stärke und Selbstfürsorge.

Wenn Zweifel aufkommen: So gehst Du mental damit um

Ich weiß noch genau, wie ich mich damals gefühlt habe. Ich hatte das Gefühl, komplett die Kontrolle zu verlieren. Damals habe ich mich total verurteilt. Ich konnte gar nicht verstehen, was mit mir passierte.

Aber heute weiß ich, dass Extremhunger nicht bedeutet, dass etwas falsch läuft.

Es ist das stärkste Signal Deines Körpers, dass er jetzt aktiv heilt. Er zeigt Dir mit diesem Hunger, dass Du es bereits zu weit getrieben hast. Er schreit nach Nahrung und möchte Dich damit wachrütteln und Dir sagen: „Hey, bitte gib mir jetzt endlich was. Sonst weiß ich nicht genau, wie ich das Ganze hier noch stemmen soll.“

Doch ist es wichtig, Dich mit den Ursachen und Hintergründen der Essstörung auseinanderzusetzen. Natürlich ist es gut, dem Hunger nachzugeben, das solltest Du auch unbedingt tun. Doch ich kann Dir sagen, wie es bei mir war.

Bei mir war es damals so, dass ich mit dieser Phase überhaupt nicht umgehen konnte. Ich habe den extremen Hunger damals nicht mehr bremsen können. Also ich hatte einfach nicht diese Kraft, dem Ganzen zu widerstehen. Es war einfach so ein heftiger Hunger und ich habe nur noch gegessen. Natürlich habe ich dann auch zugenommen. Aber ich bin einfach mit dieser Zunahme nicht klargekommen.

Denn innerlich hatte ich natürlich noch dieselben Probleme wie vorher. Nur, weil ich gegessen habe, waren meine Probleme nicht gelöst. Deswegen bin ich dann in die Bulimie gerutscht. Daher betone ich auch immer die Wichtigkeit, an den Ursachen der Essstörung zu arbeiten. Und aus diesem Grund arbeite ich in meinen Coachings auch ganzheitlich.

Die Versuchung, den Extremhunger zu unterdrücken (und warum das nicht funktioniert)

Ich weiß genau, wie groß Deine Angst ist und wie schwer es Dir fällt. Daher merke Dir: Diese Phase ist normal. Die Phase des extremen Hungers nach einer Essstörung ist absolut normal.

Es ist absolut normal, dass einem dieser Hunger große Angst bereitet. Daher ist es auch verständlich, dass Du das Gefühl hast, diesen Hunger unterdrücken zu müssen.

Doch diese Phase gehört zum Heilungsprozess dazu. Daher wird es Dich nicht weiterbringen, Deinen Hunger zu unterdrücken. Damit würdest Du lediglich den ganzen Heilungsprozess in die Länge ziehen.

Stell Dir einfach folgende Frage, wenn Du überlegst, ob Du den Hunger unterdrücken möchtest:

Was ist das kleinere Übel? Ein Jahr lang durch diese Phase zu gehen und danach frei zu sein? Oder ein Leben lang in der Essstörung gefangen zu bleiben?

Ich kann Dir aus eigener Erfahrung sagen, dass es sonst nur länger dauert und schlimmer wird.

Denn wenn Du den Extremhunger unterdrückst und Dich nicht damit auseinandersetzt, wird es Dir nicht besser gehen. Den Hunger nicht haben zu wollen und hoffen, ihn wegzudrücken, wird nichts bringen. Damit wirst Du das Ganze nur noch schlimmer machen.

Der extreme Hunger ist dafür da, dass Du erkennst, dass Dein Körper Nahrung braucht. Dein Körper schreit nach Nahrung und möchte einfach nur gesund werden.

Loslassen und ins Handeln kommen

Diese Phase ist natürlich super, super schwer. Das weiß ich auch. Weil man einfach so viele Unsicherheiten und Ängste hat. Weil man sich ja auch sehr viele Regeln auferlegt hat. Und dann auf einmal sollen alle Regeln nicht mehr existieren. Und man soll dem Körper wirklich die Nahrung geben, nach der er jetzt schreit.

Durch das Zulassen des extremen Hungers nimmt man ja mit der Zeit auch zu. Dies macht natürlich auch Angst. Doch merk Dir immer wieder: Dein Körper ist Dein Freund und nicht Dein Feind. Er arbeitet immer für Dich und nicht gegen Dich. Das heißt, er weiß, was das Beste für Dich ist. Immer.

Daher: Lasse den Extremhunger zu. Auch wenn sich das alles einfach anhört – ich weiß, wenn ich sage: „Ja, lass den zu, lass Deine Zunahme zu“ – ich weiß genau, wie schwer das ist. Ich habe das auch alles durchgemacht.

Wie ich gelernt habe, dem Prozess zu vertrauen

Ich habe später in meiner Bulimie erst angefangen, an den Ursachen zu arbeiten. In der Zeit hatte ich auch noch extreme Angst, zuzunehmen. In dieser Zeit habe ich immer wieder versucht, bewusst zu machen, dass es nur eine Übergangsphase ist.

Dafür habe ich mir auch immer wieder folgende Fragen beantwortet. Diese können auch Dir beim Zulassen des extremen Hungers helfen.

  • Wofür möchtest Du die Essstörung loslassen?
  • Was möchtest Du in Deinem Leben noch erreichen?
  • Was möchtest Du sehen?
  • Was möchtest Du vielleicht noch essen?
  • Worauf hast Du Lust?

Es ist eine Übergangsphase. Das ist auch nochmal ganz wichtig zu verstehen. Die Zunahme wird nicht bis ins Unermessliche gehen, und die wird auch irgendwann stoppen. Und Du wirst für Dich das optimale Gewicht erreichen, mit dem Du Dich auch dann letztendlich wohlfühlen wirst.

Dein Körper ist Dein Freund, er heilt gerade

Lass mich die wichtigsten Punkte noch einmal zusammenfassen:

Extremhunger ist eine normale biologische Reaktion auf Nahrungsmangel. Er ist vorübergehend und zeigt, dass Dein Körper heilen will. Die Minnesota-Studie beweist: Das passiert jedem Menschen nach Restriktion. Es ist keine Schwäche, kein Kontrollverlust, keine neue Essstörung.

Extremhunger bedeutet NICHT, dass Du etwas falsch machst. Es bedeutet nicht, dass Du für immer so weitermachst. Es ist ein Zeichen der Heilung, nicht der Pathologie.

Was Du tun kannst, habe ich Dir im Artikel erklärt. Das Wichtigste, was Du Dir merken kannst, ist Folgendes: Dein Körper ist nicht Dein Feind. Er ist Dein Freund. Er arbeitet für Dich, nicht gegen Dich. Der Extremhunger ist nicht Dein Körper, der Dich bestraft. Es ist Dein Körper, der Dich rettet.

Vertrau ihm. Gib ihm, was er braucht. Und hab Geduld. Ich weiß, wie schwer das ist. Ich war selbst dort. Aber ich kann Dir aus eigener Erfahrung sagen: Es lohnt sich. Am Ende dieser Phase wartet ein Leben, in dem Du wieder frei atmen kannst. Ein Leben, in dem Essen nicht mehr Dein Feind ist. Ein Leben, in dem Du wieder Du selbst sein kannst.

Was ich damals gebraucht hätte

Weißt Du, was mir in dieser Zeit am meisten gefehlt hat?

Jemand, der mir sagt: „Das ist normal. Du bist nicht verrückt. Dein Körper heilt gerade.“

Jemand, der nicht sagt: „Reiß dich zusammen“ oder „Iss einfach normal.“

Jemand, der versteht.

Deshalb bin ich heute hier. Ich kann Dir die Angst nicht nehmen.

Aber ich kann Dir sagen: Ich war genau da, wo Du jetzt bist.

Und ich bin heute frei.

Du schaffst das auch.

Falls Du Unterstützung auf Deinem Weg benötigst, können wir gerne unverbindlich darüber sprechen und uns Deine Situation anschauen. Buch Dir dafür einfach ein Gespräch mit mir.

Du hast es verdient, ein freies, leichtes Leben zu führen. Ein Leben, in dem Essen wieder Freude macht und Du Deinem Körper vertrauen kannst.

Alles Liebe, Deine Janina

FAQ – Häufig gestellte Fragen zum Thema Extremhunger

Antwort: Nein, Extremhunger an sich ist nicht gefährlich. Es ist eine normale und notwendige Heilungsreaktion Deines Körpers. Dein Körper holt sich jetzt die Energie und Nährstoffe zurück, die ihm über Monate oder Jahre gefehlt haben.

Was gefährlich sein kann, ist die vorherige Restriktion selbst. Wenn Du aus einem extremen Untergewicht kommst oder sehr schnell wieder anfängst zu essen, solltest Du unbedingt ärztlich begleitet werden. In seltenen Fällen kann es zum sogenannten Refeeding-Syndrom kommen, einer gefährlichen Verschiebung der Elektrolyte im Körper.

Wenn Du unsicher bist oder gesundheitliche Bedenken hast, zögere nicht, mit Deinem Arzt oder Therapeuten zu sprechen. Lieber einmal zu viel nachfragen als zu wenig.

Das Wichtigste: Der Extremhunger selbst ist ein gutes Zeichen. Er zeigt, dass Dein Körper bereit ist zu heilen.

Quelle:

Mehanna, H. M., Moledina, J., & Travis, J. (2008). Refeeding syndrome: what it is, and how to prevent and treat it. BMJ.

Antwort: Ja, und das ist einer der wichtigsten Punkte in der Recovery.

Dein Körper signalisiert Dir mit dem Extremhunger genau, was er braucht. Wenn Du dagegen ankämpfst – durch Restriktion, Kontrolle oder kompensatorisches Verhalten, verlängerst Du diese Phase nur unnötig.

Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer das ist. Du hast monatelang gegen Deinen Hunger gekämpft, und jetzt sollst Du ihm nachgeben? Das fühlt sich wie Kontrollverlust an. Aber in Wahrheit ist es genau das Gegenteil: Du gibst Deinem Körper die Kontrolle zurück, die er braucht, um zu heilen.

Je mehr Du dagegen ankämpfst, desto länger bleibt der Extremhunger. Je mehr Du ihm vertraust und nachgibst, desto schneller wird er sich regulieren.

Vertraue Deinem Körper. Er weiß, was er tut. Er wird nicht endlos zunehmen. Dein Körper wird sich sein optimales Gewicht holen und dann aufhören.

Das ist Biologie, keine Willenssache.

Antwort: In der Recovery-Phase können vorübergehend Verdauungsprobleme auftreten. Zum Beispiel Blähungen, Bauchschmerzen, Völlegefühl oder Verstopfung. Das ist normal und bedeutet nicht automatisch, dass Du diese Lebensmittel nicht verträgst.

Warum passiert das?

Dein Verdauungssystem war lange Zeit im Energiesparmodus. Für jedes Lebensmittel braucht Dein Körper spezielle Darmbakterien. Wenn Du bestimmte Lebensmittel monatelang gemieden hast, hat Dein Körper diese Bakterien abgebaut. Jetzt, wo Du wieder isst, müssen sie sich erst wieder aufbauen und das kann Beschwerden verursachen.

Was hilft:

  • Bleib dran. Wenn Du das Lebensmittel weiterhin isst, baut Dein Körper die nötigen Bakterien wieder auf
  • Gib Deinem Körper Zeit – das kann Wochen dauern
  • Höre nicht sofort auf, ein Lebensmittel zu essen, nur weil es erstmal Beschwerden verursacht

Mehr praktische Tipps und Hilfe bei Verdauungsproblemen findest Du in unserem ausführlichen Artikel über Verdauungsprobleme in der Recovery.

Wichtig: Bei echten Allergien (z. B. Nussallergie) oder diagnostizierten Intoleranzen (z. B. Zöliakie, Laktoseintoleranz) ist das natürlich etwas anderes. Wenn Du den Verdacht hast, sprich mit einem Arzt und lass das abklären.

Antwort: Das hängt von Deinem individuellen Zustand ab, aber die allgemeine Empfehlung lautet: In der frühen Recovery solltest Du auf intensiven Sport verzichten.

Warum?

Dein Körper braucht jetzt jede verfügbare Kalorie für die Heilung. Er muss Organe reparieren, Hormone wieder ins Gleichgewicht bringen, Muskelmasse aufbauen und sein System wieder hochfahren. Wenn Du jetzt intensiv Sport machst, „verbrennst“ Du genau die Energie, die Dein Körper so dringend für die Heilung braucht.

Außerdem kann Sport in der frühen Recovery-Phase:

  • Den Extremhunger noch verstärken
  • Die Phase verlängern
  • Als kompensatorisches Verhalten dienen (und damit die Essstörung aufrechterhalten)

Was ist mit Bewegung?

Sanfte Bewegung ist okay – ein Spaziergang, leichtes Yoga, Dehnübungen. Aber nichts, das Deinen Körper zusätzlich belastet.

Wann kannst Du wieder Sport machen?

Das ist sehr individuell. Sprich mit Deinem Therapeuten oder Arzt darüber. In der Regel solltest Du warten, bis:

  • Dein Gewicht stabil ist
  • Der Extremhunger deutlich nachgelassen hat
  • Du keine kompensatorischen Gedanken mehr hast
  • Sport kommt aus Freude, nicht aus Zwang

Quelle:

National Institute for Health and Care Excellence (NICE). (2017, updated 2024). Eating disorders: recognition and treatment [NG69]. NICE Guideline.

Quellenverzeichnis des Artikels:

  • Adam, T. C., & Epel, E. S. (2007). Stress, eating and the reward system. Physiology & behavior.
  • American Psychiatric Association. (2022). Diagnostic and statistical manual of mental disorders (5th ed., text rev.). APA Press.
  • Kalm, L. M., & Semba, R. D. (2005). They starved so that others be better fed: remembering Ancel Keys and the Minnesota experiment. The Journal of Nutrition.
  • Keys, A., Brožek, J., Henschel, A., Mickelsen, O., & Taylor, H. L. (1950). The Biology of Human Starvation (Vol. 1 & 2). University of Minnesota Press.
  • Klok, M. D., Jakobsdottir, S., & Drent, M. L. (2007). The role of leptin and ghrelin in the regulation of food intake and body weight in humans: a review. Obesity Reviews.
  • Mehanna, H. M., Moledina, J., & Travis, J. (2008). Refeeding syndrome: what it is, and how to prevent and treat it. BMJ.
  • Misra, M., & Klibanski, A. (2014). Endocrine complications of anorexia nervosa. The Lancet Diabetes & Endocrinology.
  • Müller, M. J., et al. (2018). Is there evidence for a set point that regulates human body weight?. F1000Research.
  • Palascha, V., et al. (2015). How does binge eating disorder differ from reacting to dietary restraint?. Eating behaviors.
  • Tucker, R. M., & Eckert, E. D. (2020). The clinical implications of the Minnesota Starvation Experiment. International Journal of Eating Disorders.

„Wer mit sich selbst in Frieden leben will, muss sich so akzeptieren, wie er ist.“

Selma Lagerlöf

WICHTIGER HINWEIS

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Über die Autorin

Janina Eilts – Essstörungs-Coach & Ex-Betroffene

Sonnenaufgang

Janina Eilts ist die Gründerin von Lebensleichter und Essstörungs-Coach mit über 5 Jahren Coaching-Erfahrung.

Nach 12 Jahren im Teufelskreis von Magersucht und Bulimie hat sie ihren Weg in die Freiheit gefunden. Heute reist sie nur mit Handgepäck um die Welt und hilft Frauen dabei, dieselbe Befreiung zu erleben: ein intuitives Essverhalten zu entwickeln – ohne Diäten, Kalorienzählen oder Verzicht.

Janina kombiniert ihre 12-jährige persönliche Essstörungserfahrung mit ihrem Studium im Gesundheitsmanagement und teilt ihr Wissen u. a. in 130+ Artikeln, 190+ Podcast-Folgen und einer kostenlosen 3-teiligen Videoserie. Über 130 Frauen hat Janina bereits erfolgreich aus ihrer Essstörung begleitet.

Das Fachmagazin „Psychologie Heute“ berichtete über Janinas Geschichte. Zudem gab es Berichte über Janinas Weg aus der Essstörung zum Coach im NDR (Sendung „DAS!“) und in der Deutschen Welle. Zusätzlich gab Janina als Coach Interviews in zahlreichen Fach-Podcasts und hielt einen Vortrag beim Netzwerk Essstörung über ihren Weg aus der Essstörung.

Mehr über Janinas Geschichte findest Du hier.

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