Wie du mit Rückfällen umgehst – Wenn die Essstörung zurückkommt

Datum: 26.11.2021

Es lief doch alles so gut. Ich hatte mich 14 Wochen nicht nach dem Essen erbrochen. Ich hatte keinen Essanfall. Und dann fand ich mich zwischen leeren Essens-Verpackungen wieder. Ich redete mir gut zu, bestärkte mich weiterzumachen, nicht aufzugeben. Aber es war alles andere als leicht…

Wie du mit Rückfällen umgehst – Wenn die Essstörung zurückkommtIch habe mich dafür geschämt. Ich habe mich beschimpft, weil ich dachte, dass alles umsonst gewesen wäre. Dass ich ein Versager bin, dass ich wieder bei null anfange und dass ich alles kaputt gemacht habe, was ich mir erarbeitet habe. Ich bezeichnete mich als schwach und undiszipliniert. Plötzlich war meine Stärke, die ich die Wochen zuvor hatte, weg.

Gedanken wie „Jetzt ist es eh egal, ich habe es ja schon kaputt gemacht.“ bestärkten meine Gedanken nur noch mehr darin, dass meine Hoffnung auf Heilung, ein Traum bleiben sollte. Ich verstand die Welt nicht mehr. Denn ich wusste nicht, wieso die Wochen vorher so gut liefen und was ich jetzt falsch machen würde. Apropos Thema falsch. Ich suchte den Fehler immer bei mir, denn ich dachte, dass ich der Fehler sei. Das es an mir liegen würde, warum ich diese Essanfälle hatte. Ich kam nicht auf die Idee zu schauen, was mich so aus der Bahn geworfen hat, dass ich das Essen wieder so sehr benötigte.

Kampf und Frieden können nicht nebeneinanderstehen.

Ich setzte mich noch mehr unter Druck, weil ich einfach nicht verstand was los war. Was mit mir los war. Aber mit Druck funktioniert das Ganze nicht, damit macht man es nur noch schlimmer. Denn Kampf und Frieden können nicht nebeneinanderstehen. Im Nachhinein weiß ich jetzt, dass ich diese Zeit damals brauchte, um vollständig zu genesen. Denn es waren einfach noch Themen aktiv, die ich noch nicht tief genug für mich bearbeitet hatte, die ich noch nicht ohne das Essen verarbeiten konnte. Und so sollte man generell einen Rückfall betrachten. Als eine Art Hinweis, dass man noch genauer hinschauen darf, um alle Blockaden vollständig zu lösen. Dennoch konnte ich das damals in dieser Situation natürlich nicht so gut erkennen.

Ich suchte den Fehler bei mir und war kurz davor aufzugeben, denn für mich stand zu dem Zeitpunkt fest, dass ich eine Versagerin bin und die Essstörung für immer zu mir gehören würde. Aber man sollte sich trotz vermeintlicher Rückschläge auf seinem Heilungsweg nicht aufgeben. Ein schlechter Tag, oder eine schlechte Phase bedeutet nicht, dass man von seinem Heilungsweg abkommt. Rückfälle passieren. Fehler passieren. Und manchmal wird man in dieser Zeit von seinen Gefühlen überwältigt und dann weiß man einfach nicht wohin mit sich.

Wie du mit Rückfällen umgehst - Wenn die Essstörung zurückkommt - Hilfe bei Essstörungen

Rückfälle sind keine Rückschritte

Auch der Fortschritt macht Rückschritte.

Monika Kühn-Görg

Vielleicht war es bei mir auch in gewissen Situationen einfach mein Trotz. Ich wusste ab einem bestimmten Punkt, dass das was ich mache, nicht gut für mich ist. Aber ich dachte, dass es mir egal ist, dass ich das trotzdem mache, denn ich hatte es ja eh schon verbockt. Und das obwohl man weiß, was die Konsequenzen sind. Denn man fühlt sich danach unfassbar schlecht und wertlos, weil man weiß, dass man es wieder nicht geschafft hat. Parallel ist da dieser starke Gedanke, dass man das Essen jetzt braucht. Dass die Situation besser wird, wenn man jetzt isst.

Vielleicht findest du dich jetzt in dieser Situation wieder und denkst dir, dass es dir gerade genauso geht. Das du dich auf deinem Heilungsweg befindest, aber dennoch von Rückfällen heimgesucht wirst. Und da möchte ich das Zitat von Monika Kühn-Görg mit aufgreifen, denn trotz Fortschritte ist es üblich auch Rückschritte zu machen. Rückfälle sind keine Fehltritte, sondern kleine Rückschläge, die auf keinen Fall dafür sorgen, dass man wieder bei null anfangen muss. Auch wenn du einen Rückfall hast, geht das, was du bislang geschafft hast, nicht verloren. Du musst nicht wieder bei null anfangen, denn Du hast bereits dieses Wissen und diese Erfahrung. Das ist alles ja nicht auf einmal weg.

Mein Rückfall…

Gehen wir wieder zurück zu meinem Rückfall.

Nachdem ich es also 14 Wochen ohne Essanfall geschafft hatte, fand ich mich plötzlich in meinen schlimmsten Essanfällen wieder. So schlimm, dass ich mich kaum noch auf andere Dinge konzentrieren konnte. Zu dieser Zeit habe ich noch nicht bei meinem Freund gewohnt, sondern in einer WG. Und in dieser Wohnung konnte ich meine Sucht so unglaublich gut ausleben. Meine Mitbewohner waren oft nicht da, oder sie waren da und haben es nicht mitbekommen. Weil die Wohnung einfach so groß war, dass man es super verheimlichen konnte. Es war immer Essen verfügbar, sodass ich natürlich auch das Essen meiner Mitbewohner vernichtete.

Ich konnte einfach nicht aufhören zu Essen. Die Scham wurde dadurch natürlich noch schlimmer. Nicht nur weil ich Essanfälle hatte, sondern auch, weil ich das Essen von anderen gegessen hatte. Ich hatte das Gefühl, dass meine Sucht nach Essen von Tag zu Tag wuchs. Donnerstags war immer der schlimmste Tag bei mir. Denn da ging ich abends noch zum Tanzen und war somit erst gegen 21.00 Uhr wieder zuhause. Meistens hatte ich mir vorher noch im Supermarkt Essen gekauft. Ich hatte mir vorgenommen, dass das Essen für mehrere Anfälle reichen sollte. Aber das tat es nicht. Ich vernichtete alles immer an dem Donnerstag.

Und mein Selbsthass mir gegenüber wurde immer größer. Denn ich konnte nicht aufhören zu essen und habe dennoch immer gesehen, wie die Zeit verstrich. Es wurde immer später und später. Und ich wusste, dass der Wecker am nächsten Tag um 04.00 Uhr klingelt, denn ich musste ja zum Sport. Noch vor der Arbeit…

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Mein Wille verschwand nicht…

Die ganze Situation zerrte unglaublich an meinen Nerven. Ich war dauermüde, weil ich einfach zu wenig Schlaf hatte. Ich hatte kaum Energie, aufgrund meiner Essanfälle. Meine Hände und mein Hals waren wund und taten einfach unglaublich weh vor Schmerzen. Und psychisch war ich einfach nur noch instabil. Ich fühlte mich wie ein lebloses Wrack.

Ich wollte nie wieder in diese Situation kommen, nachdem ich mich nach einem Essanfall im Krankenhaus wiedergefunden hatte. (Wie es dazu kam, kannst Du hier nachlesen) Aber ich spürte, dass ich auf dem besten Weg wieder dorthin war.

Und diese Gedanken sorgten auch dafür, dass ich mich immer wieder daran erinnerte, dass ich nie wieder in diese Situation kommen möchte, in der ich mich im Krankenhaus befunden hatte. Mein Wille etwas zu ändern war immer noch da und er wurde, trotz der heftigen Essanfälle, immer stärker. Ich wollte diese Krankheit nicht mehr haben.

Ich hatte bereits gespürt, wie sich ein Leben ohne diese ständigen Essanfälle anfühlt. Wie frei man sich fühlt, etwas zu essen, ohne sich dabei übergeben zu müssen.

Änderung meiner Lebensumstände

Ich hatte mir vorgenommen, anzufangen ehrlich zu mir zu sein. Welche alten Verhaltensweisen haben sich wieder eingeschlichen? Waren sie offensichtlich? Oder waren sie vielleicht nicht so offensichtlich? Ich für mich wusste und verstand zunehmend, dass ich etwas an meiner Situation ändern musste. Auf einmal verstand ich, welche Dinge mir Energie raubten und was ich tun muss, damit ich mein Leben wieder in den Griff bekomme. Ich schaute genauer hin.

Denn nicht nur meine Emotionen haben mich aus der Bahn geworfen, sondern auch gewisse Gewohnheiten. Deswegen, wechselte ich meinen Job, zog in eine andere Stadt zu meinem Freund und brach vorerst den Kontakt zu meiner Familie ab. Was mir natürlich unglaublich schwer fiel. Ich wusste aber, dass ich eine neue Umgebung brauchte und dass ich diese Zeit für mich brauchte, um zu verstehen, was in den letzten Wochen vor sich ging. Denn eins stand auf jedenfall fest. Ich wollte diese Essstörung nicht mehr haben.

Hilfe bei Essstörungen

Falls Du einen Rückfall hast: Gebe nicht auf…

Es ist wichtig nach einem Rückfall weiterzumachen. Sich nicht aufzugeben. Fange an und versuche dir zu verzeihen. Du darfst das Ganze innerlich abhaken, auch wenn es dir schwerfällt. Es ist passiert und das ist ok.

Du kannst sowieso gerade nichts mehr an der Situation verändern. Mache weiter. Du darfst jedem Tag eine neue Chance geben. Und Du darfst dir dafür verzeihen, was passiert ist. Es ändert nichts an den Erfahrungen, die du gemacht hast. Nichts an all dem was du schon geschafft hast. Versuche stattdessen verständnisvoll mit dir umzugehen und dir zu sagen, dass solche Rückfälle passieren. Es ist kein Grund alles über Bord zu werfen und blind zurück in die Essstörung zu laufen. Habe Verständnis für deine Situation. Und dafür, wenn es dir aktuell nicht so gut geht. Du darfst dich auch traurig und einsam fühlen. Gestresst oder überfordert. Es ist alles ok. Aber es ist wichtig, dass du wahrnehmen kannst, wie es dir geht.

Vielleicht stehst du gerade an dem Punkt, dass du dich fragst, wie ein Rückfall aussehen kann.

  • Wiegst du dich wieder regelmäßig, obwohl du damit aufgehört hattest?
  • Machst du wieder mehr Sport als früher, mit dem Hintergrund möglichst viele Kalorien zu verbrennen?
  • Hast du dich nach einem Essen erbrochen, weil du das Gefühl hattest, dass es doch zu viel war?
  • Versuchst du Mahlzeiten zu überspringen und fühlt sich das wieder mittlerweile normal für dich an?
  • Stehst du wieder viel zu lange vor dem Spiegel und betrachtest dich selbst?

Hinterfrage Dich…

Wenn das der Fall ist, versuche dich, deine Emotionen, deine Gefühle, deine Gedanken und deine Gewohnheiten wahrzunehmen. Auch, wenn das am Anfang vielleicht ungewohnt, oder unangenehm für dich ist.

Frage dich dabei folgende Sachen:

  • Wie fühle ich mich gerade?
  • Gibt es in meinem Leben bestimmte Umstände, die mein Selbstwertgefühl, oder meine Gefühle stark beeinflussen? Vielleicht die Beziehung, dein Job, deine Familie, das Studium, deine Ausbildung, oder die Corona-Krise?
  • Fühlst Du Dich sehr gestresst? Oder fühlst Du dich ausgeglichen?
  • Bist du müde und erschöpft? Tut dir etwas weh?
  • Hörst du auf deine Bedürfnisse? Kennst Du Deine Bedürfnisse überhaupt?
  • Hast Du momentan einfach zu viel zutun und kommst Du dabei viel zu kurz?
  • Welche Themen beschäftigen dich gerade?
  • Hast Du Angst für der Zukunft?
  • Welche Gewohnheiten führst du wann aus? Und welche stressen dich?
  • Hast Du genug ruhe und gönnst Du Dir auch mal eine Entspannung?

Es geht nicht darum, diese Antworten darauf zu bewerten. Sondern, dass du eine Beobachterperspektive Deiner Situation einnimmst und anfängst dich objektiv zu betrachten, die deine aktuelle Situation gerade ist. Oftmals wird dabei relativ schnell klar, wo sich der Knackpunkt aktuell befindet. Wieso es dir aktuell so geht, wie es dir geht. Und wenn du dir diese Fragen täglich stellt, wirst du Muster erkennen können, die dir dabei deutlich zeigen, weswegen du rückfällig geworden bist.

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Gehe liebevoll mit Dir um…

Denke immer daran, dass du dich für einen Rückfall nicht verurteilen und das du versuchen solltest liebevoller mit dir umzugehen. Du darfst mit dir, wie mit einer guten Freundin sprechen. Sage Dir: „Ich verstehe, dass es mir nicht gut geht. Deswegen habe ich die Essstörung wieder als Lösungsweg gewählt. Ich verzeihe mir diesen Fehler und vergebe mir. Ich gehe mit neuer und positiver Energie auf meinem Heilungsweg weiter. Denn jeder Moment ist ein neuer Anfang.“

Falls Du Du mehr erfahren möchtest kann ich Dir noch meine Podcast-Folge empfehlen: Wiederkehr der Essstörung – Jeder Rückschlag macht Dich stärker.

Alles Liebe.

Deine Janina

Auch der Fortschritt macht Rückschritte

Monika Kühn-Görg

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