Falls Du Meine Geschichte Teil 1 noch nicht gelesen hast, empfehle ich Dir zuerst den ersten Teil zu lesen und dann hierher zurückzukommen.
Heute nehme ich Dich mit, wie mein Weg weiter verlaufen ist. Wie ich es geschafft habe meine Essstörung hinter mir zu lassen.
Im April 2019 hatte ich eines Abends wieder einen Essanfall. Nach diesem Essanfall wollte ich mich wie üblich übergeben, um die ganzen Kalorien loszuwerden. Doch es klappte einfach nicht. Ich bekam Panik. Ich hatte ca. 6.000 Kalorien gegessen. Ich konnte mich kaum noch bewegen, weil ich so unfassbar voll war. Da ich mir nicht anders zu helfen wusste, trank ich erst einmal noch mehr Wasser, aber auch das half mir nicht weiter. Daher schnappte ich mir einen Löffel. Ich dachte mir, wenn ich tiefer in meinen Hals kommen würde, dann würde der Würgereiz noch größer werden. Doch es kam ganz anders. Als ich mir den Löffel tief in meinen Hals steckte kam nicht der Würgereiz, sondern der Schluckreiz und ich schluckte den Löffel komplett herunter…
Panik machte sich in mir breit. Ich war einfach nur verzweifelt und wusste nicht was ich machen sollte. Zuerst redete ich mir gut zu, dass ich einfach abwarten müsste und sich das schon von alleine reguliert. Aber tief im Inneren wusste ich, dass wenn ich jetzt niemanden einweihe, sich gar nichts regelt. Zum Glück wohnte ich nicht alleine, sondern in einer WG. Ich nahm all meinen Mut zusammen und weihte meinen Mitbewohner ein. Dieser reagierte glücklicherweise mit Verständnis und brachte mich sofort ins Krankenhaus.
Im Krankenhaus wurde ich schließlich notoperiert. Der Arzt im Krankenhaus erklärte mir später, dass der Löffel, ohne OP, meinen Darm aufgerissen hätte und ich daran mit großer Wahrscheinlichkeit gestorben wäre. Das war für mich ein Schock. Ab dem Zeitpunkt wurde mir klar, dass ich an meiner Krankheit sterben könnte. Dem Tod entkommen zu sein, war für mich mein Wendepunkt.
Mein Weg aus der Essstörung
Der erste Schritt war, dass ich meinem Freund von dem Vorfall und meiner Krankheit erzählte. Zum Glück reagierte er verständnisvoll und wollte mich unterstützen. Der nächste Schritt war nun einen Therapeuten zu suchen. Dies war schwerer als gedacht. Nebenher begann ich zuerst einen Online-Kurs über das Thema Essstörung zu absolvieren. In diesem Online-Kurs wurde auch die Selbsthilfegruppe OA genannt. Ich suchte im Internet nach dieser Gruppe und es gab Sie sogar in meiner Stadt. Es war eine große Überwindung für mich, zu dem ersten Treffen zu gehen. Doch nach dem ersten Treffen wusste ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Mit dem Online-Kurs und der Selbsthilfegruppe schaffte ich es den Teufelskreislauf vorerst zu durchbrechen und ich hatte das erste Mal für einen gewissen Zeitraum keine Essanfälle mehr.
Über die Selbsthilfegruppe bekam ich auch einen Therapeuten empfohlen, der noch einen Platz frei hatte. Ich vereinbarte einen Termin und ich ging zu meinem ersten Gespräch. Dort sagte mir der Therapeut nachdem ich ihm erzählt habe, dass ich seit 12 Jahren an der Krankheit leide, dass er mich nicht therapieren kann und mich direkt in eine Klinik schicken wird. Damit wollte ich mich jedoch nicht zufriedengeben. Für mich war schon immer klar, dass ich in keine Klinik gehen werde. Ich erzählte ihm, dass ich es bereits 13 Wochen ohne Essanfall geschafft hatte und das ich niemals in eine Klinik gehen würde. Ich wollte es zu 100% ohne Klinik schaffen. Zum Glück gab er mir dann diese Chance.
Die Therapie war ein Anfang.
Auch, obwohl ich es bereits 13 Wochen ohne Essanfall geschafft hatte, hatte ich plötzlich wieder Rückfälle. Ich hatte viele Gespräche daraufhin mit meinem Therapeuten und ich wusste, dass die Zeit gekommen ist, in der ich mich komplett auf mich konzentrieren muss. Und somit begann die Zeit, in der ich mich 8 Monate komplett auf mich fokussiert habe. Ich brach vorerst den Kontakt zu meiner Familie ab, was ein sehr schwerer Schritt für mich war. Ich musste mich lösen, um mich in meiner Genesungszeit von niemanden beeinflussen zu lassen und um für mich herauszufinden wer ich wirklich bin. Nach vielen Abenden an denen ich geweint habe, weil ich wusste, dass ich nun auf mich alleine gestellt bin, fing ich an mir zu arbeiten. Ich buchte einen Online-Kurs in dem ich gelernt habe, meine Gedanken zu beobachten. In diesem Zeitraum habe ich auch eine Zusage für ein Persönlichkeitscoaching bekommen. Ich war so aufgeregt und habe mich gefreut, denn ich wollte unbedingt gesundwerden.
So lief neben meinem Besuch beim Therapeuten, ein Persönlichkeitscoaching nebenher. Auch habe ich einen Ganztagsworkshop zum Thema Selbstliebe absolviert. Bis ich schließlich auf das Thema Inneres Kind gestoßen bin. Ich buchte mir einen 6-Wochen Workshop, in dem ich die Grundlagen zu dem Thema lernte. Ich setzte mich in dieser Zeit das erste Mal mit meiner Vergangenheit auseinander und habe das erste Mal realisiert, weswegen meine Essstörung entstanden ist. Nach dem Workshop konnte ich noch weitere Einzelsitzungen bei der Heilpraktikerin buchen. Diese Stunden haben mich so weit nach vorne gebracht und ich habe immer mehr und mehr meine Krankheit verstanden.
Trotz allem kamen Rückfälle…
Natürlich hatte ich in dieser Zeit einige Rückschritte. Nachdem ich den Brief an meine Eltern abgeschickt hatte, hatte ich keinen Essanfall mehr, aber dennoch hatte ich Tage, an denen es mir gar nicht gut ging. Ich musste wieder lernen auf meinen Körper zu hören, ich musste wieder lernen zu essen. Ich hatte weder ein Hunger- noch ein Sättigungsgefühl und meine Gedanken beschäftigten sich immer noch den ganzen Tag mit Essen. Es hat mich fertiggemacht, denn ich wollte das es aufhört. Aber wie soll das auch gehen, wenn man sich 12 Jahre nur mit dem Thema Essen beschäftigt hat und überhaupt gar nicht mehr auf seinen Körper gehört hat?
Eben! Das geht nicht auf einmal! Das musste ich erst verstehen und ich musste viel Geduld mitbringen. Ich war in so vielen Situationen verzweifelt und am Ende. Ich dachte, ich werde es niemals schaffen und dass diese Gedanken niemals aufhören würden. Aber oftmals sah am nächsten Tag schon alles wieder besser aus. Ich entwickelte Strategien und lernte auf meine Bedürfnisse zu hören. Ich habe viel für mich gemacht, habe lernen müssen Zeit mit mir alleine zu verbringen. Denn mit mir alleine sein konnte ich bis dato nicht. Somit ging ich alleine ins Kino, kochte mir alleine etwas Leckeres, oder setzte mich entspannt in ein Café. Jeden Tag meditierte ich, kümmerte mich um meinen Körper, las jeden Tag und nahm mir ausreichend Zeit für mich. Somit lernte ich mich besser kennen und was ich eigentlich im Leben erreichen möchte.
Es begann mein neues Leben
Die Kombination aus allem machte mich zu einem neuen Menschen und es wurde Tag für Tag besser. Es gibt auch heute noch immer Tage an denen es mir nicht gut geht. Aber ich habe ein Gespür dafür entwickelt und weiß direkt, was mir fehlt und was ich für mich machen kann. Ich lasse es nicht mehr so weit kommen, dass ich mich ins Essen stürze. Zu guter Letzt war da noch mein Freund, der mich jede Sekunde, wiederaufgebaut und gut zugesprochen hat.
An dem Tag an dem ich mich entschieden hatte, dass ich den Fokus auf mich legen muss, hatte ich keinen einzigen Essanfall mehr. Ich habe gelernt intuitiv zu essen und somit meine Essstörung besiegt. Ich habe es geschafft aus dem Teufelskreis Essstörung auszusteigen. Und ich bin mir sicher, dass du es auch schaffst.
Alles Liebe.
Deine Janina
„Viele Menschen versäumen das kleine Glück, während sie auf das Große vergebens warten.“
Pearl S. Bruck