Kennst Du das Gefühl, wenn Du denkst, Du hättest endlich alles im Griff? Du kontrollierst Dein Gewicht, Dein Essen, Deine Gefühle. Doch irgendwann merkst Du, dass die Kontrolle Dich kontrolliert. Viele Frauen mit Essstörungen erleben genau das. Sie glauben, durch Kontrolle Sicherheit zu finden, doch verstärken dadurch unbewusst ihre Essstörung.
Ich kenne diesen Kampf aus eigener Erfahrung. Zwölf Jahre lang dachte ich, Kontrolle über mein Essverhalten würde mir helfen. Stattdessen hielt sie mich gefangen. Du zählst Kalorien, wiegst Dich täglich und hoffst, Dich durch diese Rituale endlich sicher zu fühlen. Doch statt Freiheit erlebst Du mehr Stress, mehr Angst und das Gefühl, nie genug zu sein.
In diesem Artikel erkläre ich Dir die fünf versteckten Wege, wie Kontrollverhalten Deine Essstörung nährt. Du wirst verstehen, warum Dein Verstand nach Kontrolle greift und wie Du Schritt für Schritt loslassen kannst. Als ehemalige Betroffene zeige ich Dir, dass Heilung möglich ist und Du nicht allein bist auf diesem Weg.
Wenn Kontrolle zur Falle wird: Meine Geschichte
Ich stand früher jeden Morgen auf der Waage und diese Zahl bestimmte meinen ganzen Tag. Hatte ich abgenommen, fühlte ich mich stark und erfolgreich. Hatte ich zugenommen, war der Tag gelaufen. Mein Selbstwertgefühl hing an einer Zahl auf einem Display. Vielleicht kennst Du das auch?
Zwölf Jahre lang lebte ich mit Magersucht und Bulimie. Ich dachte, ich hätte alles unter Kontrolle. Schließlich konnte ich bestimmen, was ich aß, wann ich aß und wie viel. Diese vermeintliche Kontrolle gab mir ein Gefühl von Sicherheit.
Doch in Wahrheit hatte ich überhaupt keine Kontrolle. Meine Gedanken kreisten ständig ums Essen. Selbst zum ersten Date mit meinem heutigen Freund konnte ich nicht einfach so hingehen. Vor dem Date habe ich bereits online die Karte gecheckt und wusste, was ich dort esse. Ansonsten verließ ich mich beim Essen auf die gezählten Kalorien und nicht auf mein Hunger. Das, was mir Kontrolle geben sollte, kontrollierte eigentlich mich vollständig.
Denn echte Kontrolle bedeutet nicht, alles zu beherrschen. Echte Kontrolle bedeutet, loslassen zu können. Doch bis es bei mir zu diesem Klick-Moment kam, dauerte es einige Zeit. Heute bin ich frei von meiner Essstörung und helfe anderen Frauen dabei, diesen Weg ebenfalls zu gehen. Ein erster Schritt für Dich kann sein, zu verstehen, wie das Kontrollverhalten Deine Essstörung verstärkt.
Die 5 versteckten Wege, wie Kontrollverhalten Deine Essstörung nährt
Emotionale Kontrolle: Wenn Essen Deine Gefühle ersetzt
Hast Du schon mal versucht, mithilfe Deines Essverhaltens Emotionen zu kontrollieren? Falls ja, bist Du nicht allein. Die Kontrolle über das Gewicht oder Essverhalten ist für viele eine Bewältigungsstrategie. Diese hilft, mit unliebsamen Emotionen umzugehen. Das können zum Beispiel Traurigkeit, Wut, Einsamkeit, Überforderung oder Scham sein.
Oft sind das Emotionen, die wir als Kinder nicht fühlen durften. Erinnerst Du Dich an Situationen, in denen Dir gesagt wurde: „Jetzt reiß Dich mal zusammen“ oder „Hör auf zu weinen“? Das bedeutet jetzt jedoch nicht, dass Deine Familie schuld ist. Denn die Schuldfrage bringt uns nicht weiter. Allerdings haben viele von uns früh gelernt, dass bestimmte Gefühle „nicht gut“ sind. Aber die Gefühle sind trotzdem da. Jeder ist mal wütend, jeder ist mal traurig.
Wenn Du nicht gelernt hast, mit diesen Emotionen umzugehen, suchst Du Dir andere Wege. Zum Beispiel verlangt jemand etwas, was Du nicht machen möchtest. Anstatt den Streit zu klären und Deine Meinung zu sagen, machst Du es einfach. Danach hast Du einen Essanfall und kotzt. So nutzt Du das Essen zur Ablenkung von emotionalen Herausforderungen.
Diese Strategie schafft vorübergehend ein besseres Gefühl. Ohne sie wäre es noch schlimmer. Doch sie bringt Dich nicht weiter. Stattdessen verlierst Du den Kontakt zu Deinen echten Bedürfnissen und Gefühlen. Erkennst Du Dich hier wieder? Möchtest Du lernen, Dich wieder mit Deinen Gefühlen zu verbinden? Dann lies weiter.
Körperkontrolle: Der Mythos vom perfekten Gewicht
Glaubst Du, dass Du Deinen Traumkörper durch Kontrolle erreichen wirst? Viele Frauen mit Essstörungen setzen sich unrealistische Ziele und vergleichen sich ständig mit anderen Menschen im Internet. Du siehst ein Foto und denkst: „So möchte ich gerne aussehen.“
Dabei vergisst Du oft, dass viele Bilder bearbeitet sind. Dazu ergibt es überhaupt keinen Sinn, sich mit anderen Körpern zu vergleichen. Jeder Mensch ist anders, jeder Körper ist anders. Ein Vergleich ist einfach nur verschwendete Zeit.
Du hast vielleicht ein Ziel vor Augen, willst so und so aussehen. Aber dabei ignorierst Du komplett die Gesundheit Deines Körpers. So schadest Du Deinem Körper, um ein bestimmtes Aussehen zu erreichen. Und dann? Was passiert, wenn Du Dein Ziel erreichst? Bist Du dann glücklich? Bist Du dann zufrieden? Ich war es nie.
Dazu mal folgendes Beispiel. Du nimmst Dir vor, fünf Kilo abzunehmen, dann ist alles gut. Du erreichst dieses Ziel und denkst: „Und jetzt?“ Plötzlich kommt der Gedanke: „Ich habe ja schon fünf Kilo geschafft, ein bisschen geht noch.“ Dann siehst Du wieder ein Model, das noch dünner ist, und denkst: „Das schaffe ich auch.“
Bei mir war es auch so, ich dachte, ich hätte die Kontrolle über meinen Körper, indem ich hungerte oder mehr Sport machte. Dazu habe ich mich mit anderen verglichen, über die ich nichts wusste. Ich wusste nicht, wie sie aßen, wie viel an dem Foto bearbeitet worden war oder welche Gene sie hatten.
Selbstwert-Kontrolle: Warum die Waage über Dein Glück entscheidet
Verknüpfst Du Dein Selbstwertgefühl mit Deinem Aussehen?
Du merkst das daran, dass Du Dich gut fühlst, wenn die Waage eine bestimmte Zahl anzeigt. Oder Du bekommst schlechte Laune, wenn Du 100 Gramm mehr wiegst als erwartet. Falls das bei Dir so ist, dann solltest Du etwas ändern.
Viele sagen: „Ich wiege mich jetzt erstmal nicht, ich versuche das anders anzugehen.“ Doch wenn sie merken, dass sie zunehmen, kommt immer wieder der Gedanke: „Sollte ich mich wiegen?“ Wenn sie es dann doch tun, kommt die vermeintliche Kontrolle zurück. Denn durch die Waage bekommt man wieder einen Überblick: „Ich wiege jetzt so und so viel, das ist gut“ oder „Das ist schlecht.“ Man kann sich einordnen. Das bringt scheinbare Sicherheit.
Bei mir war es genauso. Wenn ich abgenommen hatte, fühlte ich mich richtig gut. Ich wusste: „Ich hab’s richtig gemacht. So wie ich gestern gegessen habe, so muss ich weitermachen.“ Aber es gab auch Tage, wo ich dachte: „Ich habe heute abgenommen, dabei habe ich doch gestern das und das gegessen. Das hätte ich nie gedacht.“ Am nächsten Tag aß ich dasselbe und nahm zu. Dann war der Struggle wieder größer, mein Selbstwertgefühl litt.
Du erreichst das gewünschte Ziel nicht und Dein Selbstwertgefühl leidet. Sobald das passiert, wird die Essstörung stärker. Du achtest wieder mehr auf Dein Gewicht und darauf, was Du isst. Schon bist Du wieder in dieser Spirale.
Unsicherheitskontrolle: Wie Chaos im Leben Dein Essverhalten anheizt
Wird Deine Essstörung stärker, wenn etwas im Außen passiert oder Du Dich generell unsicher fühlst? Zum Beispiel bei Unsicherheiten in Beziehungen oder beruflichen Herausforderungen?
Als Beispiel, hast Du eine wichtige Aufgabe im Job und hast Angst, ob Du das wirklich hinbekommst. Du zweifelst an Dir, hast Angst zu versagen. Es ist sehr viel Unsicherheit da. Du kannst Dir selbst nicht diese Sicherheit geben, aber Du brauchst sie, sonst könntest Du gar nicht damit klarkommen.
Diese Sicherheit holst Du Dir durch Dein Essverhalten zurück. Du gehst wieder in die Restriktion, isst nichts. Dann fühlst Du Dich wieder stark. Die Waage zeigt weniger an. Du weißt: „Okay, ich habe alles im Griff, ich kontrolliere mein Leben.“ Dadurch fühlst Du Dich sicherer, Dein Selbstwertgefühl wird besser, weil die Waage weniger angezeigt hat. Diese Unsicherheit wird Dir genommen.
Bei mir war das auch so. Wenn ich unsicher war oder Stress hatte, wurde mein Essverhalten automatisch restriktiver. Das gab mir das Gefühl, wenigstens etwas unter Kontrolle zu haben, auch wenn alles andere chaotisch war.
Doch Du kannst durch dieses Verhalten Deine Unsicherheiten nicht wirklich kontrollieren. Es übt sehr viel Druck aus und bringt Dich an Deine Grenzen. Das Ziel ist, dass die Sicherheit aus Deinem Inneren kommt, indem Du lernst, Dir selbst zu vertrauen, statt externen Kontrollinstrumenten wie der Waage.
Kontrolle über das Unbekannte: Der verzweifelte Griff nach Sicherheit
Die Essstörung wird von vielen genutzt, um Unsicherheiten zu beherrschen.
Als Beispiel folgendes: Dein Freund hat sich von Dir getrennt. Plötzlich ist da eine große Unsicherheit, weil dieser Mensch Dir vielleicht Sicherheit gegeben hat. Du weißt nicht, wie es weitergeht, alles fühlt sich chaotisch an. Was machst Du? Du wendest Dich wieder Deinem Essverhalten zu, weil das der einzige Bereich ist, in dem Du glaubst, Kontrolle zu haben.
Vielleicht passiert auch ein Konflikt mit Freunden oder berufliche Veränderungen stehen an. Immer wenn das Unbekannte auftaucht, wird Deine Essstörung lauter. Sie wird zu Deinem Anker in einem Meer voller Unsicherheiten.
Bei mir war es genauso. Sobald sich etwas in meinem Leben veränderte oder ich nicht wusste, was auf mich zukommt, klammerte ich mich an mein Essverhalten. Es war mein verzweifelter Versuch, wenigstens einen kleinen Bereich meines Lebens zu kontrollieren.
Doch dieses Verhalten führt oft zur Isolation. Bei mir war es auch so. Denn ich zog mich zurück, was meine Probleme meist nur verstärkte. Das Paradoxe daran ist, je mehr man versucht, das Unbekannte durch Kontrolle zu bekämpfen, desto mehr Angst bekommt man vor Veränderungen. Doch echte Sicherheit entsteht nicht durch Kontrolle, sondern dadurch, dass Du Dir selbst vertraust.
Was Du wirklich beeinflussen kannst
Jetzt kommt die unbequeme Wahrheit. Denn eigentlich kannst Du nichts im Leben kontrollieren. Wirklich nichts. Ich kann jetzt gleich auf die Straße gehen und von einem Bus angefahren werden. Das kann ich nicht kontrollieren.
Kannst Du kontrollieren, wie viel Du morgen tatsächlich auf der Waage wiegst? Selbst wenn Du heute nur einen Apfel isst, weißt Du nicht genau, welche Zahl morgen dort steht. Du weißt es einfach nicht.
Es ist immer nur eine vermeintliche Kontrolle und vermeintliche Sicherheit, die Du Dir durch das Wiegen oder Dein Essverhalten zurückholst. Du meinst, Du könntest dadurch die Kontrolle über Dein Selbstwertgefühl haben, weil Du Dich dann wieder besser fühlst. Aber es ist eine Illusion.
Bei mir hat es lange gedauert, bis ich verstanden habe, wie krass das mit der Kontrolle eigentlich ist. Dann hat es irgendwann Klick gemacht und es ergab Sinn. Du musst ehrlich zu Dir selbst sein und für Dich feststellen, dass Du nichts kontrollieren kannst.
Was kannst Du dann überhaupt beeinflussen? Du kannst beeinflussen, wie Du mit Situationen umgehst. Du kannst lernen, Dir selbst zu vertrauen. Du kannst entscheiden, wie Du auf Herausforderungen reagierst. Du kannst wählen, ob Du Dir selbst mit Mitgefühl oder mit Kritik begegnest.
Nicht alles beherrschen zu wollen, sondern loszulassen. Nicht gegen das Leben zu kämpfen, sondern es zu nehmen, wie es kommt. Nicht Deine Gefühle zu unterdrücken, sondern sie zu fühlen und anzunehmen.
Natürlich kannst Du das nicht von heute auf morgen abstellen, das konnte ich auch nicht. Dennoch kannst Du daran arbeiten, nicht mehr alles kontrollieren zu wollen und nach und nach loszulassen.
Erste Schritte aus dem Kontrollzwang: Praktische Wege zur Befreiung
Du verstehst jetzt, wie Kontrollverhalten Deine Essstörung verstärkt. Aber wie kommst Du da raus? Hier sind erste praktische Schritte, die Dir helfen können, nach und nach loszulassen.
Erkenne Deine Muster:
Beginne damit, Deine Kontrollmuster bewusst wahrzunehmen. Wann greifst Du zur Kontrolle? Ist es bei Stress im Job, nach Konflikten oder wenn Du Dich unsicher fühlst? Schreibe diese Situationen auf. Das Bewusstsein ist der erste Schritt zur Veränderung.
Hinterfrage Deine Gedanken:
Wenn Du merkst, dass Du wieder kontrollieren willst, halte inne und frage Dich: „Welches Gefühl versuche ich gerade nicht zu spüren?“ Oft versteckt sich hinter dem Kontrollbedürfnis eine Emotion, die Du vermeiden möchtest.
Kleine Schritte des Loslassens:
Du musst nicht sofort alles aufgeben. Vielleicht wiegst Du Dich normalerweise jeden Tag. Versuche es jeden zweiten Tag. Oder wenn Du normalerweise jede Kalorie zählst, lass bei einer Mahlzeit am Tag das Zählen weg.
Entwickle neue Bewältigungsstrategien:
Wenn Du merkst, dass Unsicherheit aufkommt, probiere andere Wege aus. Zum Beispiel: Gehe achtsam spazieren, rufe eine Freundin an, schreibe Deine Gedanken auf oder mache Atemübungen. Du brauchst Alternativen zu Deinem gewohnten Kontrollverhalten.
Bei mir war dieser Prozess nicht linear. Es gab Rückschritte und Momente, in denen ich wieder in alte Muster verfiel. Das ist normal und gehört dazu. Sei geduldig mit Dir und feiere auch die kleinsten Fortschritte.
Dein Weg in die Freiheit
Kontrollverhalten und Essstörungen sind eng verknüpft. Du versuchst, durch vermeintliche Kontrolle über Dein Essverhalten, Emotionen und Unsicherheiten zu bewältigen. Doch diese Kontrolle ist eine Illusion, die Deine Essstörung nur verstärkt.
Du bist nicht schwach, wenn Du kontrollieren willst. Du versuchst nur, mit den Herausforderungen des Lebens umzugehen. Echte Freiheit entsteht durch Loslassen und das Vertrauen in Dich selbst.
Früher war ich noch genauso gefangen wie Du vielleicht jetzt. Der Weg raus war der schwerste und beste meines Lebens.
Heute helfe ich anderen dabei, weil ich weiß, wie schwer es ist und dass man das nicht alleine schaffen muss. Ich hätte mir damals gewünscht, jemanden zu haben, der diesen Weg schon gegangen ist.
Falls Du das Gefühl hast, Du brauchst Begleitung, kannst Du Dir gerne ein kostenfreies Kennenlerngespräch buchen. Dort tauschen wir uns unverbindlich aus. Wir lernen uns kennen und schauen gemeinsam, wo Du gerade stehst und was Dich beschäftigt. Ich stelle Dir auch meine Arbeitsweise vor und beantworte alle Deine Fragen.
Du verdienst ein Leben in Freiheit.
Liebe Grüße, Deine Janina
“Loslassen bedeutet nicht aufzugeben. Es bedeutet, zu akzeptieren, dass es Dinge gibt, die nicht so sein sollen.“
Buddha
