Journaling oder Tagebuchschreiben bedeutet das Festhalten von tiefgehenden Gedanken und Erlebnissen. Für mich war das Ganze zu Beginn meiner Recovery noch ein Buch mit sieben Siegeln. „Was soll das bringen?“, fragte ich mich oft. Ich war also durchaus skeptisch gegenüber dieser Praxis. Denn sie erschien mir zunächst fremd und unnötig. Doch heute, ein paar Jahre später, kann ich mit Überzeugung sagen: Journaling hat mein Leben verändert.
Für viele Frauen, die wie ich früher mit Essstörungen kämpfen, kann das Schreiben in einem Tagebuch weit mehr als nur eine tägliche Routine sein. Ich würde so weit gehen, dass es eine Therapieform ist, die keinen Therapeuten benötigt. Was nicht bedeutet, dass Du niemanden brauchst, der Dich unterstützt. Doch Dein Journal ist ein ständiger, geduldiger Zuhörer, der nie urteilt oder müde wird. In der Recovery bist Du vielleicht oft allein mit Deinen Gedanken und Gefühlen. Hier bietet ein Journal einen sicheren Ort, um Ängste, Freuden, Rückschläge und Siege festzuhalten.
In diesem Artikel möchte ich die Kraft des Journaling teilen. Dabei möchte ich von meinen Erfahrungen berichten und eine wertvolle Unterstützung für alle in der Recovery aufzeigen. Ich zeige Dir, wie Du mit dem Journaling beginnen kannst, welche Techniken besonders hilfreich sind und wie es Dich in Deiner emotionalen Heilung unterstützt.
Die Grundlagen des Journaling
Journaling oder Tagebuchschreiben sind eine Methode zur Selbstreflexion und emotionalen Verarbeitung. Sie hilft Menschen, ihre Gedanken und Gefühle in Worte zu fassen. Journaling ermöglicht es, persönliche Erlebnisse, Gedanken und Emotionen detailliert festzuhalten. Das ist besonders hilfreich während der Recovery von Essstörungen.
Was ist Journaling?
Journaling bedeutet das regelmäßige Schreiben von Tagebucheinträgen. Diese Tagebucheinträge helfen Dir, Deine inneren Gedanken und Erlebnisse zu dokumentieren. So kannst Du nicht nur wichtige Erinnerungen festhalten, sondern auch Deine Gefühle und Gedanken ordnen. Durch diese Ordnung lernst Du Dich und Deine Gedanken besser zu verstehen. Ich würde sagen, es ist eine Form der Selbsttherapie, die hilft, Stress abzubauen. Außerdem lehrt sie, Dich und Probleme aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.
Unterschiedliche Methoden des Journaling
- Freies Schreiben: Hier legst Du einfach los und schreibst, was Dir in den Sinn kommt. Es bedarf hier keiner bestimmten Struktur oder eines Themas. Dies hilft oft, Gedankenflüsse zu entdecken, die unter der Oberfläche brodeln.
- Geführtes Journaling: Nutzung von spezifischen Fragen oder Aussagen als Schreibanstöße. Beispiele dafür könnten sein: – „Wofür bin ich heute dankbar?“„Was hat mich heute herausgefordert?“ „Was möchte ich morgen anders machen?“
- Kreatives Journaling: Einbeziehung von Zeichnungen, Collagen oder Fotos. Dadurch kannst Du die schriftlichen Einträge ergänzen und Deine Kreativität fördern.
- Elektronisches Journaling: Verwendung von Apps oder digitalen Plattformen. Hier gibt es teilweise auch zusätzliche Funktionen wie Erinnerungen, Stimmungs-Tracker und mehr.
Journaling kann ein kraftvolles Werkzeug in Deiner Recovery sein. Es bietet Dir die Möglichkeit, Dich selbst besser kennenzulernen. Dies geschieht durch einen kontinuierlichen Dialog mit Deinen eigenen Emotionen und Gedanken.
Erste Schritte ins Journaling
Der Beginn Deiner Journaling-Praxis kann sowohl aufregend als auch ein wenig einschüchternd sein. Doch mit ein paar einfachen Schritten kannst Du leicht einen Anfang finden. Dann geht es darum, diese wertvolle Gewohnheit in Deinen Alltag zu integrieren.
Wähle das richtige Journal
Die Auswahl Deines Notizbuchs ist ein persönlicher Schritt, der Deine Verbindung zum Journaling stärken kann. Es muss nicht das teuerste oder ausgefallenste Buch sein. Allerdings sollte ein Notizbuch sein, das Dich anspricht und zum Schreiben einlädt. Vielleicht findest Du ein Notizbuch mit einem Cover, das Dir gefällt, oder das Papier fühlt sich angenehm an. Die Haptik und das visuelle Design können eine große Rolle spielen, wenn es darum geht, regelmäßig zu schreiben.
Schaffe eine einladende Schreibumgebung
Dein Schreibplatz sollte ein Ort sein, an dem Du Dich wohl und ungestört fühlen kannst. Vielleicht magst Du es, an einem ruhigen Ort zu schreiben, oder Du ziehst es vor, leise Musik im Hintergrund zu haben. Bei mir variiert der Ort auch immer danach, wo ich gerade bin. Hier in Zypern gehe ich auch oft ans Meer und schreibe dort. Es kommt halt darauf an, was Dir zusagt. Eine angenehme Atmosphäre, vielleicht mit einer Kerze oder einer kleinen Lampe, kann dazu beitragen, dass Du Dich entspannter fühlst. Dadurch können Deine Gedanken frei fließen, probiere einfach mal aus, was zu Dir passt.
Leg einfach los
Es kann entmutigend sein, auf eine leere Seite zu schauen, aber der beste Weg, dies zu überwinden, ist einfach zu beginnen. Selbst wenn Dein erster Satz lautet: „Ich weiß nicht, was ich schreiben soll“, ist das völlig in Ordnung. Dies könnte der Beginn eines tieferen Gedankenflusses sein. Erlaube Dir, ohne Urteil zu schreiben. Und erinnere Dich daran, dass dieses Journal ein privater Raum ist, der nur für Dich bestimmt ist.
Journaling-Techniken und Tipps
Journaling ist eine flexible Praxis, die Du an Deine persönlichen Bedürfnisse anpassen solltest. Nachfolgend möchte ich Dir einige Techniken und Tipps geben. Diese können Dir helfen, das Meiste aus Deiner Journaling-Zeit zu machen. Sodass Du Deine Selbstheilung bestmöglich unterstützt, mit dieser Praxis.
1. Nutze Schreib Anstöße
Manchmal kann es schwer sein, zu wissen, wo man anfangen soll. Schreibanstöße helfen Dir, den Schreibprozess in Gang zu setzen.
Hier sind einige Beispiele:
- „Heute fühle ich mich … weil …“
- „Etwas, das ich heute gelernt habe, ist …“
- „Eine Situation, die ich heute anders hätte handhaben können, ist …“
2. Setze auf Dankbarkeit
Ein Dankbarkeitstagebuch zu führen, ist eine mächtige Methode, um den Fokus von negativen Gedanken wegzulenken. So lernst Du mehr und mehr, Dich auf das Positive im Leben zu konzentrieren. Versuche, jeden Tag drei Dinge aufzuschreiben, für die Du dankbar bist. Das kann so einfach sein wie eine warme Tasse Tee oder ein freundliches Lächeln von einem Fremden.
3. Reflektiere regelmäßig
Mache es zu einer Gewohnheit, Deine Einträge regelmäßig zu lesen. Dies kann Dir helfen, Muster in Deinen Gedanken und Gefühlen zu erkennen und Fortschritte auf Deinem Weg zu sehen. Es ist auch eine Gelegenheit, Dir selbst Mitgefühl und Verständnis entgegenzubringen.
4. Sei ehrlich und unzensiert
Das Journal ist Dein privater Raum. Hier gibt es keine Verbote. Es ist wichtig, dass Du ehrlich bist und Dich nicht selbst zensierst. Schreibe Deine Gedanken und Gefühle genauso auf, wie sie sind. Dabei ist es total egal, wie unangenehm sie sind oder wie schwierig. Dies ist der Schlüssel zur wahren Selbstreflexion und Heilung. Also sei bitte zu 100 % ehrlich mit Dir selbst, es sieht ja niemand anders, nur Du.
Journaling für emotionale Heilung
In diesem Teil möchte ich Dir zeigen, wie Journaling Dir hilft, emotionale Blockaden zu überwinden, den Heilungsprozess unterstützt und Dir hilft, persönliche Einsichten zu gewinnen. Denn Journaling ist nicht nur ein Werkzeug zur Selbstorganisation oder Erinnerungspflege. Es ist auch eine tiefgreifende Methode zur emotionalen Heilung. Indem Du Deine Gedanken und Gefühle aufschreibst, öffnest Du einen Dialog mit Dir selbst. Dadurch beginnst Du, Verständnis und Akzeptanz für Deine inneren Erlebnisse zu entwickeln.
Dies geschieht durch :
1. Erkennen und Verarbeiten von Emotionen
Das Aufschreiben Deiner Gefühle kann Dir helfen, sie besser zu verstehen und zu verarbeiten. Oft erkennst Du erst durch das Schreiben, was Dich wirklich belastet oder freut. Dieser Prozess ermöglicht es Dir, Deine emotionalen Reaktionen nicht nur zu erleben, sondern auch zu analysieren. Durch die Analyse kannst Du sie dann letztlich lernen zu steuern.
2. Aufdecken tieferer Einsichten
Journaling ermöglicht es Dir, über die Oberfläche Deiner täglichen Erlebnisse hinauszugehen. Dadurch kannst Du tiefer liegende Muster und Überzeugungen erkunden. Dies kann besonders hilfreich sein, wenn Du versuchst, Ursachen und Trigger Deiner Essstörung zu identifizieren.
3. Förderung von Selbstmitgefühl und Vergebung
Durch regelmäßiges Schreiben über Deine Erfahrungen, Gedanken und Gefühle kannst Du lernen, Dir selbst gegenüber mehr Mitgefühl und Vergebung zu zeigen. Dies ist besonders wichtig in der Recovery, wo Selbstkritik oft eine große Rolle spielt.
4. Unterstützung bei der Entwicklung neuer Verhaltensweisen
Journaling kann Dir helfen, neue, gesündere Verhaltensweisen zu entwickeln. Indem Du Ziele formulierst und Deine Fortschritte dokumentierst, schaffst Du einen Rahmen. Dieser Rahmen unterstützt Dich dabei, positive Änderungen in Deinem Leben zu verankern.
Persönliche Erfahrungen: Die Macht des Journaling
Durch das regelmäßige Schreiben in meinem Journal habe ich gelernt, meine Gedanken und Gefühle besser zu verstehen und zu ordnen. Diese Praxis hat mir geholfen, während meiner Recovery wichtige Einsichten über mich selbst und meine Bedürfnisse zu gewinnen. Es hat mir auch ermöglicht, belastende Gedankenmuster zu erkennen und zu durchbrechen.
Außerdem weiß ich aus der Arbeit als Coach, wie sehr Frauen mit einer Essstörung vom Journalen profitieren. Denn so viele Frauen berichten, dass Journaling ihnen geholfen hat. Denn dadurch können sie ihre Essstörungen besser verstehen und sich selbst auch.
Ohne das Journaling hätte ich beispielsweise oftmals meine Fortschritte gar nicht gesehen. Dadurch, dass ich mir auch alte Beiträge durchgelesen habe, habe ich sehen können, wie sich mein Denken und mein Handeln in Bezug auf die Essstörung schon verbessert hat.
Journaling als Teil der Recovery
Journaling kann ein kraftvolles Werkzeug zur Recovery von Essstörungen sein. Denn durch das Schreiben können Betroffene tieferliegende Ursachen erkennen. Dadurch ist es dann möglich, an diesen zu arbeiten.
Wie Journaling bei der Überwindung von Essstörungen hilft
Das regelmäßige Schreiben unterstützt die Selbstreflexion. Sobald Du Dich selbst besser kennst, fördert es das Bewusstsein für Deine Verhaltensmuster. Dies kann entscheidend sein, um die Mechanismen zu verstehen, die hinter Deiner Essstörung stecken. Journaling bietet auch eine Möglichkeit, Fortschritte zu dokumentieren. Denn jeden kleinen Erfolg zu feiern, kann die Motivation während der Recovery erhöhen.
Loslassen von Kontrollzwängen durch das Schreiben
Viele Betroffene von Essstörungen kämpfen mit einem starken Bedürfnis nach Kontrolle. Dies wird dann in Bezug auf ihre Ernährung und ihr Körperbild ausgelebt. Journaling kann helfen, diesen Kontrollzwang zu mindern. Denn es schafft einen sicheren Raum, in dem Gefühle und Gedanken frei ausgedrückt werden können. In diesem Raum gibt es keine sofortigen Konsequenzen oder Bewertungen von außen, was sehr hilfreich ist.
Kreative Ideen für Dein Journal
Dein Journal muss nicht nur aus Text bestehen. Es darf ein vielseitiger, kreativer Raum sein, der es Dir ermöglicht, verschiedene Ausdrucksformen zu erforschen. Hierdurch kannst Du Deine Heilung auf mehreren Ebenen fördern.
1. Gestalte visuell
Du kannst Dein Journal mit Zeichnungen, Malereien oder Collagen bereichern. Diese visuellen Elemente können Dir helfen, Gefühle und Gedanken auszudrücken. Denn manchmal reichen Worte vielleicht nicht aus.
2. Füge Fotos und Erinnerungsstücke hinzu
Dein Journal kann auch ein Zuhause für Fotos und kleine Erinnerungsstücke sein. Fall diese vielleicht für Dich eine besondere Bedeutung haben. Diese Gegenstände können Deine Einträge bereichern. Zusätzlich können sie Dir beim Erinnern und Reflektieren helfen.
3. Experimentiere mit verschiedenen Schriftarten und Farben
Nutze verschiedene Stifte, Farben und Schriftarten, um Deinem Journal eine persönliche Note zu geben. Farben können auch genutzt werden, um Deine Stimmungen oder wichtige Themen hervorzuheben.
4. Schreibe Briefe an Dich selbst
Nutze Dein Journal, um Briefe an Dich selbst zu schreiben. Dies kann eine kraftvolle Methode sein, um Selbstmitgefühl zu entwickeln. Hier kannst Du auch mit früheren oder zukünftigen Versionen von Dir selbst in Dialog treten.
Häufige Herausforderungen und wie Du sie bewältigst
Journaling ist eine bereichernde Praxis, kann aber auch Herausforderungen mit sich bringen. Hier sind einige Tipps, wie Du diese meistern kannst:
1. Schreibblockaden überwinden
Es ist normal, manchmal nicht zu wissen, was man schreiben soll. Versuche, Schreibblockaden mit Techniken wie freiem Schreiben zu überwinden. Hier kannst Du einfach alles aufschreiben, was Dir in den Sinn kommt. Es gibt keine Regeln, Du musst nicht darüber nachdenken oder es bewerten. Hier kannst Du auch einfach 10 Minuten aufschreiben: „Ich weiß nicht, was ich schreiben soll.“
2. Regelmäßigkeit bewahren
Eine der größten Herausforderungen ist es, das Journaling zur regelmäßigen Gewohnheit zu machen. Ich mache es zum Beispiel im Zweifel abends im Bett, wenn ich es den Tag vorher nicht geschafft habe. Ein anderer Tipp ist, setze feste Zeiten für Dein Journaling. Diese solltest Du einhalten, wie Termine, die nicht verschoben werden können.
3. Umgang mit emotionaler Intensität
Manchmal können die aufkommenden Emotionen beim Schreiben überwältigend sein. Wenn das passiert, erlaube Dir eine Pause. Es ist wichtig, auf Deine emotionale Gesundheit zu achten und das Journaling nicht als Pflicht, sondern als heilsame Übung zu betrachten.
4. Beurteilungsfrei bleiben
Es kann leicht passieren, dass Du Deine Einträge kritisch betrachtest. Versuche, Dir selbst gegenüber nachsichtig zu sein. Lerne anzuerkennen, dass jeder Eintrag wertvoll ist, einfach weil er Deine ehrlichen Gedanken und Gefühle widerspiegelt.
Fazit und Ermutigung
Journaling ist mehr als nur ein Werkzeug zur Selbstreflexion. Für mich ist es ein Begleiter zur Selbstentdeckung und Heilung. Durch regelmäßiges Schreiben öffnest Du die Tür zu einem tieferen Verständnis Deiner selbst. Dadurch schaffst Du einen Raum für persönliches Wachstum und Heilung.
Ich weiß, der schwierigste Teil ist oft, einfach anzufangen. Aber denke daran, dass jeder Schritt, den Du machst, Dich weiter auf dem Weg der Heilung bringt. Es gibt keinen „richtigen“ oder „falschen“ Weg zu Journalen, nur den, der für Dich funktioniert.
Also lass Dich nicht entmutigen, wenn die Fortschritte langsam erscheinen. Jeder Eintrag, den Du machst, ist ein wichtiger Teil Deines Weges. Erinnere Dich daran, dass Selbstfürsorge und Heilung Zeit benötigen, und sei stolz auf jeden Schritt, den Du gehst.
Hast Du Dich durch diesen Artikel inspiriert gefühlt? Dann beginne noch heute mit Deinem persönlichen Journal und entdecke, wie mächtig diese Praxis sein kann. Teile Deine Fortschritte, Herausforderungen und Erkenntnisse auch gerne mit mir. Dafür kannst Du mir gerne bei Instagram schreiben.
Fang heute an und mach den ersten Schritt auf Deinem Weg zur Selbstentdeckung und Heilung durch Journaling.
Liebe Grüße
Deine Janina
„Die Art des Gebens ist wichtiger als die Gabe selbst.“
Pierre Corneille