Fühlst Du Dich erschöpft davon, dass Dir überall gesagt wird, Du solltest Deinen Körper lieben? Mit diesem Gefühl bist Du nicht allein. Viele Frauen kämpfen täglich mit dem Druck, positive Gefühle für ihren Körper entwickeln zu müssen. Body Positivity funktioniert nicht für jede Frau. Was, wenn die ständigen Mantras „Liebe Dich selbst“ nur noch mehr Stress erzeugen?
Dieser Druck kann überwältigend werden. Du siehst in den Spiegel und denkst Dir: „Ich sollte mich schön finden, aber ich tue es nicht.“ Du versuchst Dir einzureden, dass Du Deine vermeintlichen Problemzonen lieben sollst, doch es fühlt sich unecht und unmöglich an. Vielleicht zweifelst Du sogar daran, ob mit Dir etwas nicht stimmt, weil diese ganze Selbstliebe-Bewegung bei Dir nicht zu funktionieren scheint.
Es gibt einen anderen, entspannteren Weg: Body Neutrality. Du musst Deinen Körper weder lieben noch hassen – Du kannst einfach neutral zu ihm stehen. Das nimmt den Druck weg und funktioniert für viele Frauen besser als Body Positivity. Lass mich Dir zeigen, wie das aussehen kann.
Von versteckten Zehen bis zum Leberfleck
Bevor ich Dir erkläre, wie Body Neutrality funktioniert, möchte ich ehrlich mit Dir sein: Auch ich kannte diese schwierige Beziehung zum eigenen Körper nur zu gut. Jahrelang habe ich Teile meines Körpers versteckt, weil ich mich dafür geschämt habe.
Meine Beine waren mein größtes Problem. Ich habe immer einen Pulli um meine Beine gewickelt, damit niemand meine Innenschenkel sehen konnte. Aber das war noch nicht alles: Meine Füße waren ein weiteres Thema für mich. Mein großer Zeh ist kleiner als der zweite Zeh und allein deshalb habe ich jahrelang im Sommer keine Sandalen getragen. Selbst bei 30 Grad habe ich feste Sneaker angezogen, weil ich dachte, alle würden über meine Zehen lachen.
Dann war da noch der Leberfleck auf meinem rechten Unterarm. Schon als kleines Mädchen habe ich automatisch meine linke Hand darüber gelegt, wenn jemand in meine Nähe kam. Ich wollte ihn operieren lassen so sehr habe ich ihn gehasst.
Vielleicht geht es Dir ähnlich? Diese ständige Fixierung auf vermeintliche Makel, die wahrscheinlich andere nicht mal bemerken? Dieses Versteckspiel ist unglaublich anstrengend und raubt so viel Lebensenergie.
Warum Selbstliebe nicht über Nacht kommt: Die Realität des Heilungsprozesses
Eine Wahrheit, die selten ausgesprochen wird: Selbstliebe ist ein riesiges Wort. Und der Weg dorthin ist lang – sehr lang. Du solltest niemals den Anspruch an Dich haben, Dich von heute auf morgen plötzlich lieben zu können. Das ist unrealistisch und setzt Dich nur unter noch mehr Druck.
Bei mir hat es Jahre gedauert, bis ich sagen konnte, was ich heute über meinen Körper denke. Jahre, in denen ich täglich an mir gearbeitet habe. Es war nicht einfach auch wenn es jetzt vielleicht so klingt. Falls Du gerade denkst: „Bei ihr hört sich das so leicht an, aber ich schaffe das nie mit meinem Bauch“, dann denk das bitte nicht. Auch bei mir war es alles andere als einfach.
Selbstliebe ist ein Prozess. Jeden Tag, an dem Du an Dir arbeitest, machst Du einen Schritt in diese Richtung. Du lernst, anders mit Dir umzugehen und Deinen Körper mehr und mehr zu akzeptieren. Aber und das ist wichtig. Du musst nicht bei der Liebe ankommen. Akzeptanz reicht völlig aus.
Was mir wirklich geholfen hat? Mein Fokus hat sich verlagert. Früher kreisten meine Gedanken nur um vier Dinge: Was andere von mir denken, meinen Körper, Essen und Sport. Das waren die Hauptbestandteile meines Lebens. Wenn das Deine Hauptthemen sind, ist es völlig klar, dass es Dir nicht gut geht. All die negativen Gedanken sind dann ständig präsent.
Genau dieser Punkt andere Lebensbereiche zu finden ist oft der Wendepunkt. Sowohl für mich damals als auch für die Frauen, die ich heute begleite. Wenn Du merkst, dass auch Dein Leben nur aus diesen Themen besteht, bist Du nicht allein. Es ist möglich, andere Interessen zu entwickeln – aber das braucht Zeit und oft die richtige Unterstützung.
Der Wendepunkt: Wie sich mein Fokus vom Körper weg verlagerte
Der echte Wendepunkt in meiner Geschichte kam nicht durch eine plötzliche Erleuchtung. Es war ein schleichender Prozess, bei dem sich meine Prioritäten langsam verschoben haben. Heute kann ich über meinen kleineren Zeh sogar scherzen, ich sage immer zu meinem Freund, wenn ich ihn aus Versehen anrempele: „Das liegt an meinem Zeh, weil er kleiner ist, deswegen habe ich nicht so viel Gleichgewicht.“ (Kleiner Sidefact: Ohne den großen Zeh hätten wir kein Gleichgewicht und könnten nicht mehr stehen. ;))
Aber wie bin ich dahin gekommen? Die Antwort ist einfach und gleichzeitig komplex: In meiner Recovery erarbeitete ich mir Raum für andere Dinge im Leben. Andere Prioritäten. Andere Interessen. Es war, als würde sich ein Vorhang öffnen und ich würde eine ganz neue Welt entdecken.
Wenn Du Dich fragst: „Wie soll das bei mir funktionieren?“ Diese Frage kenne ich aus eigener Erfahrung. Es fühlt sich unmöglich an, wenn gerade alles um Deinen Körper, Essen und Sport kreist. Aber genau hier liegt der Schlüssel: Du brauchst andere Themen in Deinem Leben.
Angenommen, Du hättest nur noch 20 % Deiner mentalen Energie für Körpergedanken übrig, weil die anderen 80 % mit interessanten Projekten, Beziehungen oder Hobbys gefüllt sind. Plötzlich verlieren diese vermeintlichen Makel ihre Macht über Dich. Nicht weil Du sie liebst, sondern weil sie einfach nicht mehr so wichtig sind.
Bei mir war es so: Mein Leberfleck ist immer noch da. Meine Zehen sind immer noch „komisch“. Aber weißt Du was? Es ist mir inzwischen egal. Wem das nicht passt, ist das sein Problem, nicht meins. Dieses „Mir-egal-sein“ ist übrigens viel entspannter als erzwungene Selbstliebe.
Body-Positivity vs. Body-Neutrality : Was wirklich hilft
Lass uns ehrlich über Body-Positivity sprechen. Diese Bewegung hat definitiv ihre guten Seiten. Denn sie zeigt uns, dass Schönheit vielfältig ist und nicht nur einem einzigen Ideal entsprechen muss. Wenn Du bei Instagram diese Vorher-Nachher-Posts siehst, wo Frauen zeigen, wie sie „normal“ sitzen versus „perfekt posieren“, kann das durchaus motivierend sein.
Aber und das ist ein großes Aber Body-Positivity kann auch enormen Druck aufbauen. Vielleicht denkst Du, wenn Du diese Posts siehst: „Okay, sie findet ihre Bauchrolle schön, aber ich finde meine einfach nicht schön. Was stimmt mit mir nicht?“ Genau dieser Druck ist das Problem.
Body-Positivity sagt Dir: „Du musst Deinen Körper lieben!“ Aber was, wenn Du das einfach nicht kannst? Was, wenn sich das völlig unecht und erzwungen anfühlt? Dann kommst Du Dir vor, als würdest Du sogar beim Selbstliebe-Versuch versagen.
Hier kommt Body-Neutrality ins Spiel und das war für mich der Game-Changer. Body-Neutrality sagt nicht: „Liebe Deinen Körper!“ Stattdessen sagt sie: „Das ist mein Körper. Er ist so, wie er ist. Nicht gut, nicht schlecht einfach da. Er macht seine Arbeit, und dann denke ich nicht mehr über ihn nach.“
Verstehst Du den Unterschied? Bei Body-Neutrality geht es nicht darum, positive Gefühle für Deinen Körper zu entwickeln. Es geht darum, Deine Aufmerksamkeit von Deinem Körper wegzulenken. Dein Körper kann Dir schlichtweg egal sein und das ist völlig okay.
Die Wahrheit über Schönheitsideale und warum Du nicht schuld bist
Es ist nicht Deine Schuld, dass Du Deinen Körper gerade so siehst, wie Du ihn siehst. Du bist nicht als jemand auf die Welt gekommen, der seinen Körper hasst.
Als Baby warst Du fasziniert von Deinem Körper. Du hast Deine Finger erkundet, Deine Zehen angeschaut, die Bewegungen Deines Körpers entdeckt. Babys stehen ihrem Körper positiv und neugierig gegenüber. Das bedeutet: Es ist Dir nicht angeboren, Deinen Körper abzulehnen.
Was ist also passiert? Deine heutige Unzufriedenheit entsteht durch eine Gesellschaft, die sich ein mittlerweile völlig unerreichbares Körperbild als Schönheitsideal auserkoren hat. Dieses Ideal wird gleichgesetzt mit Glück, Erfolg und Liebe. Medien und die Diätindustrie verkaufen uns Schlankheit als Allheilmittel.
Die Botschaft ist überall: Wer schlank wird, dessen Probleme lösen sich in Luft auf. Du wirst gesund, glücklich und erfolgreich sein. Du weißt selbst, dass das nicht stimmt. Trotzdem ist es schwierig, diese jahrelang eingetrichterte Überzeugung zu überwinden.
Überall lächeln uns junge, schlanke, durchtrainierte, perfekt aussehende Frauen entgegen. Aber weißt Du was? Damit diese Frauen so aussehen, wird getrickst, was das Zeug hält. Nicht nur das Gesicht wird geschminkt, sondern auch Körper und Beine. Die richtigen Posen schummeln noch ein paar Gramm weg, und am Ende richtet die Bildbearbeitung alles, was noch nicht „perfekt“ genug ist.
Die Realität sieht völlig anders aus, als uns die Werbefotos vorgaukeln. Geh mal ins Schwimmbad oder in die Sauna. Da siehst Du, wie Menschen wirklich aussehen. Und das ist völlig normal und real ohne Filter, ohne Tricks, einfach menschlich.
Der sanftere Weg der Neutralität
Wenn Du Deinen Körper nicht lieben kannst, dann liebe ihn nicht. Es ist völlig okay.
Es ist ein Irrglaube, dass Body-Positivity bedeutet, Deinen Körper lieben oder schön finden zu müssen. Auch das ist nur ein weiteres Ideal, das Dir das Gefühl gibt, nie genug zu sein. Wenn Du Dir vornimmst, Deinen Körper ab jetzt bedingungslos zu lieben, kannst Du nur scheitern. Es ist unrealistisch und unmenschlich.
Da einfach hinzugehen und zu sagen „Ich liebe mich“ funktioniert nicht. Auch wenn Dir das oft vermittelt wird. Wahrscheinlich erscheint Dir gerade der Gedanke, Deinen Körper jemals auch nur ansatzweise lieben zu können, völlig utopisch. Nimm Dir diesen Druck er ist völlig unnötig.
Vielleicht ist der Begriff Body-Positivity für Dich einfach zu stark aufgeladen. Dann könnte Body-Neutrality für Dich viel wirksamer sein. Body-Neutrality legt den Fokus darauf, eine neutrale Einstellung zum eigenen Körper zu entwickeln.
Wenn Du Deinen Körper also nicht lieben kannst, dann erkenne einfach seine Existenz an. Sag Dir: „Das ist mein Körper und er ist so, wie er ist. Nicht gut, nicht schlecht einfach da. Er macht seine Arbeit.“ Und dann denkst Du nicht mehr über ihn nach.
Der große Unterschied: Body-Positivity legt trotz all ihrer guten Aspekte dennoch den Fokus auf den Körper in einer Gesellschaft, die ohnehin viel zu körperfixiert ist. Mit Body-Neutrality kannst Du Deine Aufmerksamkeit von Deinem Körper weglenken.
Du musst Deinen Körper nicht lieben oder positive Gefühle für ihn empfinden. Er kann Dir auch schlichtweg egal sein. Denn Dein Körper ist nur ein Teil von Dir Du bist so viel mehr als Dein Körper.
Dein Warum finden: Was Dich auf dem Weg zur Akzeptanz antreibt
Bevor wir zu den praktischen Tipps kommen, möchte ich Dir eine wichtige Frage stellen: Warum möchtest Du überhaupt eine bessere Beziehung zu Deinem Körper aufbauen? Was würde sich für Dich ändern, wenn Dein Körper Dir einfach egal wäre?
Ich frage Dich das, weil auch Body-Neutrality nicht immer von heute auf morgen funktioniert. Du wirst Dich mit Deinen Glaubenssätzen auseinandersetzen und das in einer Welt, die Dir täglich erzählt, dass Du Deinen Körper bewerten sollst.
Aber stell Dir mal vor: Was wäre, wenn Du morgens vor dem Spiegel stehst und einfach denkst: „Okay, das bin ich“ ohne weitere Bewertung? Was wäre, wenn Du schöne Kleider anziehen könntest, ohne Dich zu verstecken? Wenn Du ausgehst, ohne Dir Sorgen zu machen, wie Du aussiehst?
Wenn Du glücklicher und zufriedener wärst? Weniger Zeit mit negativen Gedanken über Dich selbst verbringen würdest? Wieder mehr Freude am Leben hättest?
Schreib Dir diese Punkte auf. Nicht als große Ziele, sondern als kleine Erinnerungen daran, warum es sich lohnt, Deine Einstellung zu Dir zu überdenken. Wenn Du mal einen schlechten Tag hast, kannst Du sie Dir wieder anschauen.
Und weißt Du was? Du bist schon mittendrin. Allein dass Du hier bist und über Body-Neutrality liest, zeigt, dass Du bereits angefangen hast, etwas zu verändern. Du suchst nach Alternativen zu dem ständigen Körper-Stress das ist schon ein großer Schritt.
3 praktische Schritte zur Körperakzeptanz
Jetzt wird es praktisch. Hier sind die drei Ansätze, die mir am meisten geholfen haben und die perfekt zur Body-Neutrality-Philosophie passen. Du musst nicht perfekt sein – probiere aus, was für Dich funktioniert.
Hör auf, Dich mit anderen zu vergleichen
Das ist wahrscheinlich der wichtigste Punkt: Menschen kommen in allen Formen und Größen vor. Jeder Mensch ist auf seine eigene Art einzigartig. Stell Dir vor, wie langweilig es wäre, wenn alle gleich aussehen würden.
Wenn Du Dich mit anderen vergleichst, hast Du das Gefühl, nicht so auszusehen, wie Du „solltest“. Aber hier ist die Wahrheit: Du sollst nicht so aussehen wie jemand anderes. Du sollst so aussehen, wie Du aussiehst. Punkt.
Das nächste Mal, wenn Du Dich dabei ertappst zu denken „Sie sieht so viel besser aus als ich“, stopp den Gedanken. Sag Dir stattdessen: „Wir sehen unterschiedlich aus, und das ist völlig normal.“
Umgib Dich mit positiven Einflüssen
Negative Botschaften über Körperbilder sind überall um uns herum. Sie verstärken unsere Unsicherheiten enorm. Falls Du merkst, dass bestimmte Profile bei Instagram negative Gedanken in Dir auslösen, entfolge ihnen. Sofort.
Suche stattdessen nach Menschen, die Selbstakzeptanz leben und die Dich ermutigen, so zu sein, wie Du bist. Folge Accounts, die Body-Neutrality fördern oder die sich auf andere Themen konzentrieren, die Dich interessieren.
Dein Instagram-Feed sollte Dir ein gutes Gefühl geben, nicht das Gefühl, nicht gut genug zu sein.
Konzentriere Dich auf Deine ganze Person
Vergiss nicht, Du bist so viel mehr als Dein Aussehen. Ein gesundes Verhältnis zu Deinem Körper bedeutet, Dich nicht konstant auf ihn zu fixieren.
Verbringe mehr Zeit damit, über andere Dinge nachzudenken als über Deine körperliche Erscheinung. Beschäftige Dich mit Deinen Interessen, nimm ein neues Hobby auf, unternimm etwas mit Freunden.
Genau das habe ich in diesem Artikel schon mehrfach gesagt: Du brauchst andere Themen in Deinem Leben. Es sollte nicht den ganzen Tag nur um Deinen Körper und Essen gehen. Schau genauer hin, wo Du andere Interessen entwickeln kannst.
Dein Weg zur Körperakzeptanz beginnt heute
Du hast es bis hierher geschafft, das zeigt mir, dass Du bereit bist für Veränderung.
Du musst Deinen Körper nicht lieben. Body-Neutrality ist der entspanntere Weg. Sag Dir einfach: „Das ist mein Körper. Er ist so, wie er ist. Nicht gut, nicht schlecht, einfach da.“
Es ist nicht Deine Schuld, dass Du Deinen Körper ablehnst. Du hast das in einer Gesellschaft gelernt, die uns unerreichbare Ideale verkauft. Und was gelernt wurde, kann auch wieder verlernt werden.
Finde andere Lebensbereiche. Hör auf mit Vergleichen. Umgib Dich mit positiven Einflüssen. Du bist so viel mehr als Dein Körper.
Veränderung braucht Zeit, sei geduldig mit Dir. Fang mit dem Tipp an, der sich für Dich richtig anfühlt. An schwierigen Tagen erinnerst Du Dich: Du bist bereits auf einem guten Weg.
Falls Du merkst, dass Du Unterstützung brauchst, musst Du diesen Weg nicht alleine gehen. In einem kostenfreien und unverbindlichen Kennenlerngespräch können wir gemeinsam herausfinden, wie ich Dich zu einem entspannten Verhältnis zu Deinem Körper begleiten kann.
Liebe Grüße, Deine Janina
„And I said to my body softly, ‚I want to be your friend.‘ It took a long breath and replied, ‚I have been waiting my whole life for this.'“
Nayyirah Waheed