Fühlst Du Dich manchmal, als würdest Du ein Doppelleben führen? Nach außen hin läuft alles perfekt, doch im Verborgenen kämpfst Du mit Essanfällen und dem Drang, Dich zu übergeben? Über zehn Jahre lang war die Bulimie meine ständige Begleiterin. Eine Krankheit, die ich vor meiner Familie, Freunden und Kollegen verbarg.
Jede Mahlzeit war ein Kampf voller Angst und Scham. Die Lügen gegenüber Freunden und Familie, die ständige Angst, entdeckt zu werden, fraßen mich innerlich auf. Fühlst Du Dich gerade auch isoliert und missverstanden? Zweifelst Du daran, jemals ein normales Verhältnis zum Essen entwickeln zu können?
Dann möchte ich Dir heute sagen, dass es einen Weg aus der Bulimie gibt. In diesem Artikel teile ich offen und ehrlich meine Geschichte mit Dir. In Deutschland leiden ca. 1,4 Millionen Frauen an Bulimie (Quelle). Du bist also nicht alleine mit Deinem Kampf. Ich möchte Dir Hoffnung machen, auch wenn der Weg manchmal aussichtslos erscheint. Denn Du bist stärker, als Du vielleicht gerade glaubst.
In diesem Artikel erzähle ich Dir meine Geschichte – ohne Beschönigung, ohne Scham. Ich spreche offen über die dunklen Momente und über die Schritte, die mir geholfen haben, die Bulimie zu überwinden.
Mein Alltag mit der Essstörung
Mein Leben mit Bulimie war ein ständiger Kampf um Kontrolle. In der Endphase stand ich jeden Morgen um vier Uhr auf, um Sport zu machen. Natürlich nicht, weil es mir Freude bereitete, sondern aus purem Zwang. Das tägliche Wiegen wurde zu einem qualvollen Ritual. Bereits beim Aufstehen führte ich ein „Bauchchecking“ durch, überprüfte im Badezimmer immer wieder, ob sich etwas verändert hatte. Die Zahl auf der Waage bestimmte nicht nur meine Stimmung, sondern mein gesamtes Verhalten für den Tag.
Mein Essverhalten war von strengen Regeln bestimmt. Ich teilte Lebensmittel in „gut“ und „schlecht“ ein. Bei „schlechten“ Lebensmitteln stand schon vor dem ersten Bissen fest: Sie müssen wieder raus. Im Restaurant, bei Grillabenden oder Partys, aß ich scheinbar normal wie alle. Doch mein Gang zur Toilette war bereits eingeplant. Ich trank dann extra viel, um das Erbrechen zu erleichtern. An manchen Tagen schaffte ich es, sehr wenig zu essen. Dies waren dann die seltenen Momente, in denen ich das Essen bei mir behalten konnte.
Wenn die Kontrolle zur Sucht wird
Die Essanfälle kamen meistens abends. Nach dem Tanzen zum Beispiel, wenn ich eigentlich todmüde war, kaufte ich mir so viel zu essen, dass es für drei oder vier Essanfälle reichte. Ich verschlang alles in Sekundenschnelle, ohne es wirklich zu schmecken. Es war wie ein Rausch – ich war wie ein Junkie, der seine Dosis brauchte. Danach folgte immer der Gang zur Toilette, egal wie erschöpft ich war.
Die mentale Belastung war enorm. Meine Gedanken kreisten permanent ums Essen und mein Gewicht. Ich wog jede Mahlzeit ab, plante penibel, wann und wo ich die nächste Toilette aufsuchen könnte. In der Arbeit hatte ich zeitweise den ganzen Tag Essanfälle. Das war zusätzlicher Stress, weil ich ständig Angst hatte, entdeckt zu werden. Das heimliche Essen, die Angst vor dem entdeckt werden und die permanente Kontrolle raubten mir jede Energie.
Der Schlafmangel tat sein Übriges. Nach den nächtlichen Essanfällen blieben oft nur zwei bis drei Stunden Schlaf, bevor der nächste Tag mit Sport und Arbeit begann. Ich war also permanent erschöpft. Doch das war der Preis, den ich für meine vermeintliche Kontrolle zahlte.
Die Last der Geheimhaltung
Das Verstecken meiner Bulimie entwickelte sich zu einem ausgeklügelten System aus Lügen und Ausreden. Besonders deutlich wurde dies in meiner letzten WG, einem 150-Quadratmeter-Apartment. Die Größe der Wohnung spielte meiner Essstörung perfekt in die Karten. Denn mein Zimmer und mein Badezimmer lagen auf der einen Seite, die Küche und die Zimmer meiner Mitbewohner auf der anderen. Diese räumliche Trennung bot mir den perfekten Rückzugsort für meine Essanfälle. Und niemand hörte mich erbrechen.
Selbst mein Mitbewohner, der im Homeoffice arbeitete und fast immer zu Hause war, bemerkte nichts. Erst als ich später ins Krankenhaus kam, erfuhr er von meiner Krankheit. Er war schockiert – wir hatten ein dreiviertel Jahr zusammen gewohnt, und er hatte nichts geahnt.
Diebstahl und Lügen: Was die Bulimie aus mir machte
Damals wusste niemand, dass ich von meinen Mitbewohnern Essen stahl. Wenn ich nicht genug Vorräte für meine Essanfälle hatte oder plötzlich Heißhunger auf etwas bekam, das ich mir selbst verboten hatte, bediente ich mich heimlich an ihren Lebensmitteln. Die Scham über den Diebstahl verfolgte mich Tag und Nacht. Jedes Mal, wenn ich meinen Mitbewohnern in die Augen sah, fühlte ich mich wie eine Betrügerin. Wenn sie mich nach dem verschwundenen Essen fragten, log ich: „Ich weiß nicht, wo es ist. Du weißt doch, ich esse so etwas nicht.“ Doch diese Lügen fraßen mich innerlich auf.
Die Schuldgefühle wuchsen mit jedem gestohlenen Lebensmittel. Nicht nur wegen des gestohlenen Essens, sondern auch, weil ich das Essen erbrach, das andere gekocht hatten. Bei Einladungen zum Essen oder gemeinsamen Kochabenden spielte ich die Rolle der dankbaren Esserin. Doch innerlich plante ich bereits, wie ich unbemerkt zur Toilette verschwinden könnte. Diese täglichen Lügen und das Versteckspiel raubten mir jede Energie. Ich war innerlich so erschöpft von all den Ausreden und dem Täuschen. Der Gedanke, meine Bulimie aufzugeben, machte mir mehr Angst als das tägliche Lügen. Denn hätte ich jemandem von meiner Bulimie erzählt, hätte ich ja etwas ändern müssen. Und dazu war ich damals noch nicht bereit.
Die körperlichen und emotionalen Folgen
Nach fast zehn Jahren täglichen Erbrechens rebellierte mein Körper. Das Erbrechen wurde zu einem regelrechten Kampf, der meinen ganzen Körper erschöpfte. Meine Hände waren durch das häufige Übergeben aufgerissen, mein Hals war permanent wund und geschwollen. Durch die Magensäure hatte ich Zahnprobleme und brennende Schmerzen in der Speiseröhre.
Die Erschöpfung machte sich in gefährlichen Momenten bemerkbar. Mehrmals erwischte ich mich dabei, wie meine Augen auf der Autobahn zufielen. Ich dachte sogar, ich bräuchte eine Brille, obwohl ich einfach nur vollkommen übermüdet war. Zwischen nächtlichen Essanfällen und morgendlichem Sport blieben oft nur zwei bis drei Stunden Schlaf. Dennoch ging ich jeden Morgen zum Training und zwang meinen erschöpften Körper durch den Arbeitstag.
Der soziale Rückzug
In Meetings lächelte ich, nickte, machte Notizen, doch meine Gedanken drehten sich nur ums nächste Erbrechen. Meine Mitbewohner organisierten oft Partys oder unternahmen etwas, doch ich klinkte mich immer häufiger aus. Ich hatte weder die Kraft für Gespräche noch für soziale Aktivitäten.
Besonders in der Arbeit wurde es zunehmend schwieriger. Als Assistentin der Geschäftsführung hatte ich nach dem Weggang meines Chefs eine Zeit lang kaum Aufgaben, was die Situation verschlimmerte. Ich hatte Essanfälle direkt im Büro. Das war ein enormer Stress, denn die Glaswände boten kaum Privatsphäre. Ich checkte ständig, ob jemand mir zur Toilette folgte, lauschte panisch auf Schritte, während ich mich übergab. Damals war es ein Leben in permanenter Anspannung.
Der Wendepunkt in meinem Leben
Lange sah ich keinen Grund, etwas zu ändern. Ich hatte eine gute Figur, konnte arbeiten gehen, Freunde treffen und auf Partys gehen. Zumindest dachte ich das. Doch ich hasste mich für meine Essanfälle, versprach mir jeden Abend nach dem Erbrechen: „Morgen höre ich auf.“ Aber der nächste Tag brachte nur das gleiche Muster.
Mein Weg in die Freiheit
Der Wendepunkt kam durch einen einschneidenden Krankenhausaufenthalt und meinen jetzigen Freund. Durch ihn begann ich, mein Leben mit anderen Augen zu sehen. Er spiegelte mir, wie sehr ich mich in Selbstmitleid verlor, wie ich mich als Opfer meiner Umstände sah. Langsam wurde mir klar: So konnte es nicht weitergehen.
Ich begann, mein Leben radikal umzukrempeln. Die Bulimie war nur die Spitze des Eisbergs – vieles in meinem Leben lief schief. Ich hatte Schulden angehäuft, war in einem Job, der mich unglücklich machte, und von toxischen Beziehungen umgeben. Also machte ich einen Plan: Ich verkaufte mein Auto, um Schulden abzuzahlen. Ich kündigte meinen Job und suchte mir eine neue Stelle. Ich zog zu meinem Freund und ließ alte, ungesunde Beziehungen hinter mir.
Mit jedem Schritt in Richtung eines selbstbestimmteren Lebens – dem Schuldenabbau, dem neuen Job, dem Umzug – wurden auch die Essanfälle weniger. Je mehr ich an mir arbeitete, desto weniger brauchte ich das Essen als emotionalen Ausgleich. Jeden Tag kämpfte ich gegen den Impuls an, mich nach dem Essen zu übergeben. Jede überstandene Mahlzeit war ein kleiner Sieg. Es war nicht leicht, aber zum ersten Mal seit Jahren spürte ich, dass echte Veränderung möglich war. Ich lernte, mir selbst mit mehr Mitgefühl zu begegnen, anstatt mich für jeden „Fehltritt“ zu bestrafen.
Die Bulimie war ein Symptom für tieferliegende Probleme. Als ich anfing, diese Probleme anzugehen, konnte ich meine Essstörung überwinden. Heute kann ich mit anderen zusammen essen, ohne Angst. Ich genieße Restaurantbesuche und meine Gedanken kreisen nicht mehr ständig ums Essen.
Fazit: Meine Erfahrung mit Bulimie
Heute reise ich mit nur einem Handgepäckkoffer um die Welt und genieße mein Essen ohne schlechtes Gewissen. Wenn ich ein Stück Kuchen oder Schokolade esse, kommt kein Gedanke mehr an einen Essanfall. Es fühlt sich surreal an – nach über zwölf Jahren Bulimie hätte ich nie gedacht, dass ein Leben in solcher Freiheit möglich ist.
Die Überwindung der Bulimie hat mir gezeigt: Ich bin stärker als ich dachte. Heute nutze ich diese Erfahrung, um anderen Frauen bei ihrem Weg aus der Essstörung zu helfen. Ohne diese Erfahrung wäre ich heute nicht der Mensch, der ich bin, würde nicht das Leben führen, das ich jetzt führe.
Egal, ob Du seit zwei oder zwanzig Jahren mit Deiner Essstörung kämpfst, ich verstehe Deine Zweifel und Ängste. Früher saß ich selbst verzweifelt auf dem Boden meines Badezimmers. Heute weiß ich, dass Heilung möglich ist. Die Bulimie ist ein Teil Deiner Geschichte, aber sie muss nicht Deine Zukunft bestimmen. Als Coach begleite ich heute Frauen dabei, ihr Leben ohne Essstörung zu gestalten. Möchtest Du wissen, wie eine Zusammenarbeit aussehen könnte? In einem kostenfreien Kennenlerngespräch finden wir gemeinsam heraus, ob meine Unterstützung der richtige Weg für Dich ist.
Liebe Grüße Deine Janina
„Manchmal ist der stärkste Moment der, in dem Du erkennst, dass Du Hilfe brauchst.“
Michelle Obama